Papenburg. Der rote Vorhang der Kinobetriebe Muckli in Papenburg öffnete sich am Freitag den 22. November ausnahmsweise nicht für die neuesten Filme aus Hollywood. Stattdessen erschienen zahlreiche Stakeholder und Fachkräfte in Form von Interviews auf der großen Bildwand. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie begleiten mit ihren unterschiedlichen Professionen die Arbeit von heilpädagogischen Gruppen in Kindertagesstätten, die vor 50 Jahren als zentraler Heilpädagogischer Kindergarten (HPK) in Papenburg gegründet wurden und heute dezentral Teil von inklusiven KiTas im gesamten nördlichen Emsland sind.
Filme im Kino, Gesprächsrunden auf der Bühne und im Foyer, Workshops mit den Fachdiensten AutLuk (Ambulante Autismustherapie), Gelingende Kommunikation und Leitungen der Kindertagesstätten von St. Lukas bildeten den inhaltlichen Rahmen des Vormittages. Der Geschäftsführer von St. Lukas, Heinz-Bernhard Mäsker, machte deutlich, dass sich die Strukturen, Rahmenbedingungen und auch Gesellschaft im vergangenen halben Jahrhundert positiv verändert hätten. "Ein behindertes Kind ist längst kein Makel mehr. Denn es gibt viele Hilfen wie beispielsweise die Frühförderung und unsere Heilpädagogischen Kindergartengruppen. Dank unseres inklusiven Konzeptes in unseren Kindertagesstätten konnte die Sondereinrichtung HPK inzwischen geschlossen werden", so Mäsker während eines Interviews. Wie Daniel Abeln, Fachbereichsleiter Entwicklung und Bildung erläuterte, besuchen alle Kinder, mit und ohne Behinderung, wohnortnah die inklusiven Einrichtungen und erhalten dann ein individuell angepasstes Bildungsangebot. Im Podium regte Mäsker indes an, das inklusive Konzept der Kindertagesstätten auch für das weitere Leben der Kinder fortzuschreiben, insbesondere an Schulen und später in der Arbeitswelt durch die Schaffung von Außenarbeitsplätzen mit heilpädagogischer Begleitung. Unterstützung bekam Mäsker dabei von Heinfred Tippelt, Christophoruswerk aus Lingen, der sich formale Rahmenbedingungen wünscht, die individueller die Bedürfnisse der Kinder berücksichtigen. "Es braucht die Einsicht, dass die Rahmenbedingungen von den Bedarfen der Kinder gesehen werden. Wenn nötig, muss eine Integrationsgruppe nur weil es im Gesetz steht manchmal nicht 18 Plätze haben, sondern manchmal sind auch nur sechs Kinder die optimale Größe für einzelne Kinder", so Tippelt. Er habe den Eindruck, dass Politik und Gesellschaft das zwar verstanden hätten, dass es allerdings aktuell auch nach über vierjährigen Verhandlungen immer noch an einer entsprechend aktualisierten Leistungsvereinbarung mangele. "Da müssen sich Politik und Gesellschaft einen Ruck geben und sagen, lasst uns nicht den gleichen Fehler machen, wie im Schulsystem in Niedersachsen", so Tippelt weiter.
Abeln, der die Moderation im Podium übernommen hatte, sah das genauso und ergänzte: "Das Engagement ist vielerorts bereits da, aber die Bedingungen passen leider längst noch nicht überall". Spannend war auch der Blick in die Zukunft: Die Behindertenbeauftragte im Landkreis Emsland Ursula Mersmann geht davon aus, dass es heilpädagogische Angebote auch in zehn Jahren noch im Rahmen der Inklusion geben wird. "Wir müssen uns weiterhin mit der Politik und Verwaltung gut vernetzten um optimale Hilfen anbieten zu können. Inklusion ist für alle Menschen, also nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sehr wichtig", so Mersmann. Wie auch Abeln betonte sie, dass die Eltern heute sehr intensiv einbezogen werden. "Wir sprechen hier von einem Dreieck zwischen Fachkräften, Kind und Eltern", so Abeln.
Aus Sicht von Schwester Regina Maria (Leiterin der Kooperationseinrichtung KiTa St. Michael Heede) sei es für alle, eine Riesenchance voneinander zu lernen. Das betreffe auch die Mitarbeitenden in den Einrichtungen. "Wir haben unterschiedliche Fachlichkeiten und Ausbildungen in unseren Einrichtungen mit denen wir uns im Team unterstützen können. Außerdem können uns Fachdienste beispielsweise von St. Lukas zur Verfügung gestellt werden, so dass ein Kind im Autismusspektrum in einer Integrationsgruppe bleiben kann", so die Thuiner Franziskanerin. Die Leiterin der KiTa Kunterbunt aus Sögel Michaela Steffens machte deutlich, dass Kinder mit besonderen Bedarfen auch in Zukunft eine individuelle Förderung benötigen und auch Eltern nach ihren Worten eine professionelle Begleitung erfahren dürfen.
"Die Eltern die zu uns kommen, sind oft in großer Sorge und dann ist es ganz wichtig, dass sie auf Fachkräfte treffen, die sie annehmen und ernst nehmen", so Steffens. Dem schloss sich Papenburgs Bürgermeisterin Vanessa Gattung gerne an. "Es ist weiterhin unerlässlich, dass wir auch weiterhin neben den inklusiven und integrativen Angeboten Nischen für Kinder mit einem ganz speziellen Förderbedarf haben und auch Anlaufstellen für Eltern und Familien bieten, damit man auch dort kompetent aufgefangen wird", so Gattung. Mäsker ging abschließend noch einen Schritt weiter und stellte die Frage, warum es die Betitelung der Behinderung überhaupt noch geben müsse. Wichtig sei doch ausschließlich, dass jeder Mensch die Unterstützung bekomme, die er benötige. Wenn Gesellschaft, Politik und Verwaltung das weiterhin wollen, werde es auch in zehn Jahren individuelle heilpädagogische Hilfen geben.