Menschen mit Behinderungen sind mit allen Facetten ein Spiegelbild der Gesellschaft. Auch im Suchtverhalten, wie beim gemeinsamen Fachtag "Normal berauscht? Geistige Behinderung und Sucht (k) ein Thema?" in Papenburg sehr deutlich belegt wurde. Präventionsangebote sollen nun ausgebaut und differenziertere Hilfen entwickelt werden.
Rund 100 Fachteilnehmer aus dem St. Lukas-Heim, dem Vitus Werk Meppen, dem Christophorus Werk Lingen sowie der Fachambulanz Suchtprävention und Rehabilitation des Caritasverband Emsland hörten mehrere Fachvorträge, nahmen an mehreren Workshops teil und diskutierten. "Das neue Bundesteilhabegesetz wird die Inklusion noch stärker in den Fokus nehmen und viele stationäre Settings verändern", sagt Heinz-Bernhard Mäsker, Geschäftsführer vom St. Lukas Heim in Papenburg. Will heißen: Mit der Inklusion wird auch der Zugang zu Alkohol, Tabak, Betäubungsmittel, aber auch zu neuen Medien für Menschen mit Behinderungen erleichtert. Das stellt auch Karsten Schomaker, Leiter für Ambulantes Wohnen im St. Lukas Heim fest. "Menschen mit Behinderungen werden selbständiger, was natürlich auch zu Problemen führen kann, wenn sie ihre Grenzen nicht einschätzen können. Das betrifft gerade die leicht zugänglichen Mittel Alkohol oder elektronische Medien. Bei letzterem droht eine Internetabhängigkeit", so Schomaker.
Eine stärkere Vernetzung und Prävention wurde beim Caritas- Fachtag Sucht in der Tagesbildungsstätte des St. Lukas-Heim in den Fokus genommen. Unser Foto zeigt (von links) Heinz-Bernhard Mäsker (Geschäftsführer St. Lukas-Heim, Heike Budke (Caritas Emsdetten), Manfred Velt (Fachambulanz Papenburg), Karsten Schomaker (Leiter Wohnassistenz Papenburg), Markus Weiss (Facharzt St. Vinzenz Hospital Haselünne) und Marion Feldmann (Leiterin Fachambulanz Caritas Emsland). Foto: St. Lukas-Heim/Jürgen Eden
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Markus Weiss geht davon aus, dass die Zahl der Abhängigkeiten bei Menschen mit Behinderungen aufgrund geringerer Reflexionsfähigkeit sogar höher sein dürfte, als die von Menschen ohne Handicaps. Er kritisierte den unbedenklichen Umgang mit Alkohol in der Gesellschaft. "Nicht jeder versteht es, mit berauschenden Getränken sozialverträglich und selbstverantwortlich umzugehen", so Weiss. Betroffen ist nach seinen Worten auch das ungeborene Leben. So werden in Deutschland pro Jahr 2.200 alkoholgeschädigte Kinder geboren werden, weil Mütter während der Schwangerschaft nicht auf den Konsum verzichten wollten. Nach Worten von Marion Feldmann, Leiterin der Fachambulanz für Suchtprävention und Rehabilitation des Caritasverbandes für den Landkreis Emsland hatte die Tagung das Ziel, das Netzwerk zwischen der Suchthilfe und Behindertenhilfe zu stärken.
"Wir in den Fachambulanzen haben zunehmend auch Menschen mit Behinderungen die Rat suchen", so Feldmann. Da beispielsweise Menschen mit geistigen Behinderungen einer anderen Ansprache bedürfen, werden nach ihren Worten vorhandene Angebote, wie beispielsweise Gruppensitzungen geprüft, ob sie überhaupt für diese Zielgruppe geeignet sind. Dennoch gebe es sehr viel Know How bei allen Mitarbeitern. "Mit der Zusammenführung dieses Wissens und der Erfahrungen wollen wir neue zielgruppengenaue Konzepte erarbeiten", so Feldmann weiter. Ein Beispiel aus der Praxis nannte Manfred Velt von der Fachambulanz Papenburg, als er die Geschichte der Behindertenhilfe reflektierte. "Anfangs hatten wir Klienten mit geistigen Behinderungen, wie im allgemeinen üblich, noch Fragebögen mitgegeben. Wir haben uns dann über die niedrige Zahl an Rückläufern gewundert. Bis wir dann merkten, dass manche nicht Lesen und Schreiben konnten und wir unser entsprechend Angebot veränderten", so Velt. Ein Dank geht an die Caritas Gemeinschaftsstiftung und dem Kriminalpräventionsverein Papenburg (KPV) für die finanzielle Unterstützung.