Schulungen
Was war in den Pflege-Schulungen die größte Herausforderung?
Unser Ansatz war es, Krankenschwestern als Multiplikatoren zu gewinnen und für die Hauskrankenpflege zu qualifizieren, damit sie pflegenden Angehörigen und dem Personal, das im Auftrag der Sozialämter kranke Menschen zu Hause besucht, die Pflegearbeit erleichtern und auf diese Weise auch die pflegebedürftigen Menschen zu unterstützen. Es galt, die Krankenschwestern im Projekt so zu befähigen, dass diese ihr Wissen als Multiplikatoren an Haushaltshilfen, die Angehörigen und an Pflege interessierte Personen weitergeben können. Aber erst einmal mussten wir diese Fachleute in den grundlegendsten Kompetenzen der Pflege schulen, weil sie dies in der eigenen Ausbildung nicht gelernt hatten. Praktisches Pflegehandeln war in Russland bis dahin nie beschrieben worden - es gehörte nicht zu den Aufgaben der Krankenschwestern und war darum nicht Bestandteil der Kranken-schwester-Ausbildung, es gab keine Lehrbücher oder Literatur dazu. Die Krankenschwestern wussten zum Beispiel nicht, wie man einen pflegebedürftigen Menschen im Bett aufsetzt, richtig lagert und welche Handgriffe dafür erforderlich sind. Wir haben mit etwas ganz Neuem angefangen und echt Pionierarbeit geleistet.
Worum ging es in den Fortbildungen, die Sie gegeben haben?
Zum einen haben wir die Teamleiterinnen in Projektmanagement und Mitarbeiterführung qualifiziert. Zum
anderen richteten sich die Schulungen an Krankenschwestern, die wir zu Multiplikatoren ausgebildet haben. Da ging es, wie gesagt, erst einmal um Pflegewissen und Kompetenzen im Pflegehandeln, also um Basis-Kenntnisse in der Pflege. In einem zweiten Schritt haben die Teilnehmenden gelernt, wie sie dieses Wissen an Kollegen und Angehörige vermitteln können. Als drittes stand die Pflegeberatung im Fokus - wie höre ich richtig zu, wie führe ich am besten Beratungsgespräche, auf welche rhetorischen Feinheiten sollte ich achten. Dazu entwickelten wir Themenhefte, die sich kurz, bündig und gut verständlich mit verschiedenen Pflegethemen beschäftigten. Diese Hefte konnten die Krankenschwestern dann in der Beratungsarbeit z.B. Angehörigen überreichen, um ihnen Hintergrundwissen an die Hand zu geben.
Wie ist das Projekt vor Ort an-genommen worden?
Es hat mich überrascht, welche Bereitschaft die Beteiligten gezeigt haben, sich auf dieses Projekt einzulassen. Das gilt für die Krankenschwestern ebenso wie für die Verantwortlichen in den staatlichen Stellen wie den Sozialämtern. Da war eine große Offenheit gegenüber diesem neuen Ansatz und auch gegenüber der Caritas - etwas, das ich so in Russland nicht erwartet hätte. An allen Projektstandorten haben Krankenhäuser die Multiplikatorinnen der Caritas zur Fortbildung der eigenen Krankenschwestern eingeladen. Sozialämter haben Räume für die Schulungen zur Verfügung gestellt, sogar Pflegeräume eingerichtet, in denen die Mitarbeiter üben konnten. Zurückhaltender wurden diese Stellen, als es um die Finanzierungsfrage ging.
Das Hauskrankenpflege-Projekt trägt sich über die Unterstützung von außen, also aus Deutschland. Als die Sozialämter für Schulungen zahlen sollten, hieß es meist, dafür sei kein Geld da. Russland ist noch weit von einer geregelten Finanzierung von Pflegeleistungen entfernt. Solange wird sich auch dieses Projekt nicht selbst tragen.
Interview von Franziska Kückmann, stv. Pressesprecherin Diözesancaritasverband Osnabrück