"Was sind das für Menschen, die uns eine Kuh schenken, obwohl sie uns nicht kennen?" Dankbar und berührt sei die Frau aus seinem Dorf gewesen, berichtet Bosco Marschner, als er ihr die Spende aus Deutschland überbracht habe. Marschner ist Pfarrer in Marx, einem Dorf an der Wolga. Die Frau, von der er erzählt, lebt mit ihrer Familie in Armut. Die Kuh wird die Situation für die Familie deutlich verbessern: Milch, Käse, Butter, vielleicht ein Kälbchen werden den Lebensunterhalt jetzt absichern.
1.000 Kühe helfen gegen Armut
In diesen Tagen wird Ottmar Steffan, Referent für Mittel- und Osteuropa beim Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V., das Geld für die tausendste Kuh überweisen.
Grund genug, zusammen mit den russischen Partnern und mit vielen Spendern und Unterstützern zu danken und zurückzublicken - zumal die ersten drei Kühe vor 25 Jahren gespendet wurden. Zusammen mit rund 180 Gästen blickten der Bischof von Saratov, Clemens Pickel, der Osnabrücker Weihbischof Johannes Wübbe, Caritasdirektor Johannes Buß, Ottmar Steffan und russische Caritas-Fachleute auf eine ganz besondere Hilfegeschichte zurück.
Aus der Spende für die erste Kuh hat sich in den vergangene 25 Jahren eine breitgefächerte Zusammenarbeit entwickelt. Einige Beispiele: Eine Gruppe Ehrenamtlicher, die sogenannten Klosterbauer, reisen regelmäßig ins Bistum Südrussland, um tatkräftig Bauprojekte zu unterstützen. Insgesamt 76 junge Menschen aus dem Bistum Osnabrück haben seit 2003 einen Freiwilligendienst in Russland absolviert. Unzählige weitere Hilfeprojekte sind durch Spenden ins Leben gerufen worden: Hauskrankenhilfe, Kinderhäuser, Suppenküchen und vieles mehr. In 2022 wurden diese Projekte insgesamt mit mehr als 800.000 Euro unterstützt.
"Wir sind nicht allein!"
Vor allem ist eine Partnerschaft entstanden, die gerade in dieser sehr belasteten Zeit von großer Bedeutung ist. Natalja Pevtzova, Caritasdirektorin in St.Petersburg, bringt das auf den Punkt: "Mit der Corona-Pandemie ist vieles abgebrochen. Wir haben uns voll Angst gefragt: Was geschieht nun mit den notleidenden Menschen? Als dann die ehrenamtlichen Klosterbauer aus Osnabrück wieder zu uns gekommen sind, da wussten wir: Wir sind nicht allein!" Pevtzova weiter: "Auch in diesen Tagen spüren wir Ihre Solidarität mehr denn je."
Bischof Clemens Pickel dankte allen Unterstützern sehr herzlich. Zugleich betont er, dass es nicht nur um Spenden geht: "Armut gibt es nicht nur im materiellen Bereich. Wichtiger sind die menschlichen Kontakte." Mit Blick auf die vielen Besuche aus dem Bistum Osnabrück unterstreicht Pickel: "Jeder, der mit offenem Herzen zu uns kommt, ist uns ein Riesengeschenk!"
In seiner Predigt im gemeinsamen Dankgottesdienst unterstrich Weihbischof Johannes Wübbe, dass die Hilfe weitergehe: "Wir wollen dies auch in der aktuellen Situation so gut es geht weiterführen, weil es um notleidende Menschen geht, nicht die Unterstützung von Macht oder antidemokratische, kriegsführende Regime. Ebenso haben und werden wir die ukrainischen Geflüchteten hier bei uns weiter unterstützen und ihnen helfen. Wir leiden mit ihnen!"
Wie alles begann
Im Herbst 1991 richtete die Caritas in Osnabrück eine Beratungsstelle für Aussiedler ein. Die Klienten berichteten dort nicht nur von ihren eigenen Problemen. Sie erzählten auch, wie Verwandte und Freunde unter der schweren Wirtschaftskrise in Russland zu leiden hatten. Unter diesem Eindruck organisierte Ottmar Steffan für den Caritasverband Osnabrück erste Hilfstransporte nach Russland.
1998 nahm Steffan Kontakt auf zu Bischof Clemens Pickel im südrussischen Saratov: Die Geburtsstunde der Initiative EINE KUH FÜR MARX. Pickel bat um Unterstützung beim Kauf einer Kuh für eine bedürftige Familie in Marx an der Wolga. Aus dieser ersten Kuh wuchs eine Zusammenarbeit, die in den vergangenen 25 Jahren vielen tausend notleidenden Menschen in Russland geholfen hat. In 2022 konnten aus Spenden und den Erträgen zweier Stiftungen 825.912 Euro für insgesamt 33 Projekte überwiesen werden.
Viele weitere Infos gibt es im Internet: www.eine-kuh-fuer-marx.de