Linda Kerkhoff (links, Name geändert) und Katrin Warstat möchten jungen Menschen Mut machen, sich bei Sorgen und Nöten an das Beratungsnetzwerk [U25] zu wenden. Christiane Adam / Caritas Emsland
Nele fühlt sich allein. Normalerweise bespricht sie ihre Probleme mit ihren Freundinnen auf dem Pausenhof, aber seit am 13. März die Schulen geschlossen haben, ist dies nicht mehr möglich. Zwar dürfte sie sich mit jemandem treffen, aber sie wohnt ziemlich weit außerhalb, und den Führerschein hat die 17-Jährige noch nicht. Ihre Eltern sind durch das Homeoffice gestresst und haben auch kein Ohr für ihre Sorgen.
Der 18-jährige Tom macht im nächsten Jahr Abitur. Seitdem der Unterricht nur noch online stattfindet, hat er Schwierigkeiten, sich auf den Stoff zu konzentrieren. Er fürchtet, dass er bei den bevorstehenden Abiturprüfungen durchfallen könnte. Das Lernen allein zu Hause fällt ihm schwer. Er traut sich nicht, seine Klassenkameraden zu fragen, ob es ihnen möglicherweise genauso geht, denn er hat Angst, sich zu blamieren.
Neues Angebot
Zwei Fälle, die zeigen, wie sehr sich der Alltag von Jugendlichen durch die Coronakrise verändert hat. Solche und ähnliche Sorgen laufen immer häufiger bei der Online-Suizidprävention [U25] des Deutschen Caritasverbands auf. Das hat auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erkannt und hat daher bei [U25] angefragt, ob das [U25]-Team, das bislang vor allem suizidgefährdete junge Menschen berät, sich nun auch für diese neuartigen Probleme als Ansprechpartner zur Verfügung stellt. Unter dem Motto #gemeinsamstatteinsam finden nun Menschen im Alter von 15 bis 26 ein offenes Ohr für ihre Alltagssorgen. "Es hat sich herausgestellt, dass sich Jugendliche in der öffentlichen Debatte und in ihrem Umfeld seit der Coronakrise nur noch auf ihr Dasein als Schüler reduziert fühlen", weiß Katrin Warstat. Warstat arbeitet beim Fachbereich Jugendsozialarbeit und Schule des Caritasverbands Emsland und ist Standortleiterin des Suizidpräventionsangebotes [U25] Emsland.
Die Sorgen, die junge Menschen derzeit umtreiben, seien vielschichtig und wiesen dennoch Parallelen auf, kann auch Linda Kerkhoff (*Name geändert) aus Erfahrung sagen. Kerkhoff studiert soziale Arbeit und absolviert derzeit ihr Pflichtpraktikum am Caritasstandort Lingen. Für die ehrenamtliche Peerberatung hat sich die Studentin sofort bereiterklärt. "Wir beraten komplett anonym und ausschließlich online. Wer sich auf der Seite www.u25-emsland.de anmeldet, muss lediglich sein Alter und das Bundesland, in dem er lebt, angeben. Die Konversation läuft dann über den Nickname, den sich jeder selbst aussuchen kann", berichtet Kerkhoff. Wichtig: Auch die Berater bleiben anonym. Die Anfragen kommen aus dem kompletten deutschsprachigen Raum.
Gewohntes Umfeld fällt weg
"Der Druck, unter dem junge Leute im Moment stehen, ist schon hoch. Es wird erwartet, dass sie funktionieren. Im Gegenzug fällt das gewohnte Umfeld meistens komplett weg. Sportvereine, Jugendzentren, kirchliche Gruppen, aber auch lockere Treffen in der Freizeit sind nicht vorhanden oder stark eingeschränkt", führt Warstat aus. In einigen Fällen kämen noch schwierige Familienverhältnisse dazu, etwa, wenn zu Hause eine gewalttätige Atmosphäre vorherrscht oder die Eltern trinken.
Die Coronakrise hat Menschen in den verschiedenen Phasen ihres Lebens erwischt. Die Ungewissheit, wie es weitergeht, beispielsweise mit dem Betrieb, in dem jemand gerade seine Ausbildung macht, kann genauso belastend sein wie Prüfungsdruck oder soziale Einsamkeit. "Es ist hilfreich, wenn jemand da ist, der zuhört. Es kann schon entlastend sein, jemandem, der in Not ist, zu sagen, dass er nicht allein mit seinem Problem ist und ihm zu versichern ‚wir haben ein offenes Ohr für deine Gedanken‘", sagt Kerkhoff. "Reden rettet - nur, wenn man über seine Probleme spricht, kann man sie lösen", ergänzt Warstat.
Die Peerberater haben für diese spezielle Alltagsberatung in Coronazeiten eine Onlineausbildung absolviert und werden genauso wie die Peerberater des online Suizidpräventionsangebots von hauptamtlichen Mitarbeitern fachlich begleitet. Allein im Emsland gibt es derzeit 24 aktive Peerberater für [U25], elf weitere beginnen im nächsten Monat eine Ausbildung. Bundesweit besteht das Netzwerk aus rund 300 Ehrenamtlichen, davon 72 speziell für #gemeinsamstatteinsam. Sie alle stehen unter www.u25-emsland.de bzw. www.u25.de zur Verfügung, wenn es darum geht, sich Zeit zu nehmen und gemeinsam Auswege aus der Krise zu suchen.