Wozu das Bundesteilhabegesetz?
In einem breit angelegten Beteiligungsverfahren wurden Menschen mit Behinderung und verschiedene Verbände, auch der Deutsche Caritasverband, am Gesetzgebungsprozess beteiligt. Seit dem 28. Juni 2016 liegt nun der Regierungsentwurf vor. Er befindet sich aktuell im parlamentarischen Anhörungsverfahren. Ab dem 01.01.2017 soll das neue BTHG schrittweise in Kraft treten.
Wen betrifft das neue Gesetz?
Laut Angabe des statistischen Bundesamtes aus 2013 leben über 10 Millionen Menschen mit einer Behinderung in Deutschland, also ca. jeder 8. Mensch in Deutschland.
In 2014 erhielten nach Angabe des stat. Bundesamtes rund 860.500 Menschen mit einer wesentlichen Behinderung Eingliederungshilfeleistungen. Insgesamt wurden dafür rund 15 Milliarden Euro aufgewendet. Ca. 57 % der gesamten Sozialhilfeausgaben im Jahr 2014 umfassten Leistungen der Eingliederungshilfe. Die Eingliederungshilfe ist eine besondere Form der Sozialhilfe für Menschen mit einer wesentlichen Behinderung, bzw. die davon bedroht sind und umfasst Leistungen zur sozialen Teilhabe und zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Warum eine Reform der Eingliederungshilfe?
2009 wird die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland ratifiziert. Das neue Bundesteilhabegesetz soll die Leitidee der Behindertenrechtskonvention umsetzen, nämlich:
das Recht auf vollumfängliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Leistungen der Eingliederungshilfe sollen aus der Sozialhilfe herausgelöst werden, d.h. sofern ein Mensch mit Behinderung zukünftig Leistungen zur Bewältigung seines Alltags oder im Arbeitsleben benötigt, muss dazu nicht Sozialhilfe beantragt werden. Damit soll die Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem herausgelöst und in ein modernes Teilhaberecht überführt werden.
Die Leistungen sollen sich an den Bedarfen der einzelnen Person und nicht am Ort der Leistung orientieren. Stichwort ist hier die "Personenzentrierung". Künftig sollen Menschen mit Behinderung Leistungen der Grundsicherung, sofern sie Ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können und Leistungen der Teilhabe erhalten.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung aber auch die Ausgabendynamik bei den Kosten der Eingliederungshilfe deutlich bremsen. Der Zugang zu Sozialversicherungsleistungen, z.B. medizinische Rehabilitation, Pflege) soll verbessert werden. Hier handelt es sich überwiegend um steuerfinanzierte Leistungen. Damit verbunden ist aber auch die Erwartung, dass die Kosten für Leistungen der Eingliederungshilfe nicht weiter steigen und insbesondere die kommunalen Haushalte nicht stärker belasten.
Welche Eckpunkte beinhaltet das geplante Bundesteilhabegesetz?
- Der Behinderungsbegriff lehnt sich an die UN-Behindertenrechtskonvention und dem aktuellen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ICF). Die ICF dient als einheitliche und standardisierte Sprache zur Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes, der Behinderung, der sozialen Beeinträchtigung und der relevanten Umgebungsfaktoren eines Menschen. Mit der ICF können die bio-psycho-sozialen Aspekte von Krankheitsfolgen unter Berücksichtigung der Kontextfaktoren systematisch erfasst werden.
- Die Leistungen sollen personenzentriert als Teilhabeleistungen erfolgen, unabhängig vom Ort der Leistungserbringung
- Die bisherigen Eingliederungshilfeleistungen werden getrennt in Teilhabeleistungen und existenzsichernde Leistungen (Kosten Unterkunft und Verpflegung).
- Der Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe soll nach einem bundesweit einheitlichen Verfahren mit einheitlichen Kriterien erhoben werden
- Wer nicht erwerbstätig ist, hat Anspruch auf eine Beschäftigung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. Daneben soll es Alternativen geben, um Arbeitgeber zu motivieren, Menschen mit behinderung einzustellen, z.B. Budget für Arbeit, Lohnkostenzuschüsse.
- Die anderen Zweige der sozialen Sicherung, insbesondere die Bundesagentur für Arbeit, die Rentenversicherung, die Kranken- und Pflegekassen sollen stärker in die Pflicht genommen werden, sofern ein Leistungsanspruch besteht.
- Das Verhältnis zwischen Leistungen der Eingliederungshilfe und der Pflegeversicherung soll neu geregelt werden. Menschen in einer eigenen Häuslichkeit sollen vorrangig Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen.
- Unabhängige, vom Bund finanzierte Beratungsstellen sollen Menschen mit Behinderung
- Kostenlos eine qualifizierte Beratung zu ihren Ansprüchen auf Teilhabeleistungen geben.
Eine Reform der Eingliederungshilfe ist unumstritten und wird sowohl von Menschen mit Behinderungen, von Angehörigen und auch von den Einrichtungsträgern als notwendig erachtet. Aber der jetzt vorliegende Kabinettsentwurf bleibt deutlich hinter der Erwartungen und berechtigten Forderungen zurück. Zu viele Unklarheiten, zu viele offene Fragen und zu wenig konkrete Verbesserungen sind im Kabinettsentwurf enthalten.