Mit roten Luftballons protestierten behinderte Menschen, Angehörige und Caritas-Einrichtungen gegen das geplante Bundesteilhabegesetz - hier vor dem St.Maria-Elisabeth Haus in Bad Laer. (Foto: Caritas/Roland Knillmann)
"Aus dem Bundeteilhabegesetz wird ein Bundesspargesetz, wenn die Planungen umgesetzt werden!" - so lautet die pointierte Kritik des Osnabrücker Caritasvorsitzenden Diakon Dr. Gerrit Schulte am aktuellen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung.
Grund genug für viele hundert Betroffene, Angehörige und Mitarbeitende von Caritas-Einrichtungen der Behindertenhilfe in Niedersachsen (AG CEBN), heute landesweit zu protestieren. An etlichen Standorten stiegen insgesamt ca. 10.000 rote Luftballons, bedruckt mit diesem Ausruf "Bundesteilhabegesetz - So nicht!" in den Himmel.
Vor vielen Caritas-Einrichtungen in ganz Niedersachsen versammelten sich am Vormittag Menschen mit Handicap, Angehörige und Caritas-Mitarbeitende, um ihre Ablehnung der geplanten Gesetzesänderungen zum Ausdruck zu bringen. Mit den Ballons schickten sie Postkarten mit Kritikpunkten sowie Forderungen an die Bundespolitik in Richtung Berlin.
"Auch wenn das Gesetz an einigen Stellen Verbesserungen bringen wird: In vielen Bereichen sind deutliche Verschlechterungen für Menschen mit Behinderung zu befürchten", betonte Schulte. Er verwies darauf, dass es für Betroffene künftig sehr viel schwieriger werden könnte, einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe geltend zu machen. "Wenn nur noch Eingliederungshilfe bekommt, wer in mindestens fünf von neun Lebensbereichen Unterstützung benötigt, fallen viele Betroffene durch das Raster, etwa chronisch psychisch Erkrankte oder Suchtkranke", warnte Schulte. Die einfache Aufzählung von Lebensbereichen sage noch nichts über die Teilhabebeschränkung eines Menschen aus.
Ebenso vehement lehnt die Caritas den Plan ab, dass im häuslichen Umfeld künftig die Pflegeversicherung als Kostenträger Vorrang gegenüber der Eingliederungshilfe haben soll. "Es steht zu befürchten, dass dann Betroffene mit hohem Pflegebedarf auf Pflegeeinrichtungen verwiesen werden", kritisierte der Caritasvorsitzende. "Pflegeleistungen können keine Teilhabeleistungen ersetzen - deshalb müssen beide Angebote für Betroffene gleichrangig zur Verfügung stehen."
Aus Sicht der Caritas muss zudem gewährleistet sein, dass Menschen mit Behinderung, die in Wohnstätten leben, dies künftig bezahlen können. Durch die geplante Trennung von Teilhabe- und existenzsichernden Leistungen droht hier eine Finanzierungslücke. Darauf wies Sandra Queer, Vorstandsmitglied der AG CEBN hin. Offen sind beispielsweise die Kosten für behinderungsbedingte Mehraufwendungen, die eventuell weder von der Grundsicherung noch von der Eingliederungshilfe getragen werden. "Wir befürchtet, dass Menschen gezwungen sein werden, aus ihrer vertrauten Einrichtung auszuziehen, da die Eingliederungshilfe die Kosten laut Gesetzentwurf nur dann übernehmen kann, wenn kein Wechsel der Räumlichkeit möglich ist. Auf keinen Fall darf es für Bewohner in stationären Einrichtungen zu Versorgungslücken kommen, weil die Kostenübernahme nicht geklärt ist", betonte die Leiterin von Caritas Wohnen Hannover und stellte klar: "Der Bund muss die Kosten für die Unterkunft komplett übernehmen - unabhängig vom Wohnort."
Für die Bewohner brachte der rechtliche Betreuer Heinrich Musenburg die Sorgen auf den Punkt: "Wir befürchten erhebliche Verschlechterungen für die Bewohner der Einrichtungen, wenn der Gesetzentwurf tatsächlich umgesetzt wird."
In der AG CEBN sind niedersachsenweit 19 katholische Träger der Behindertenhilfe zusammengeschlossen. Sie betreuen und begleiten rund 20.900 Menschen mit Behinderungen an über 70 Standorten. Diese Aufgaben werden von etwa 6.300 Mitarbeitenden wahrgenommen.
Weitere Informationen zu den Kritikpunkten und Forderungen der Caritas zum Bundesteilhabegesetz gibt es unter www.BTHG-so-nicht.de
Ansprechpartnerin: Rita Nolte, Geschäftsführung Caritas-Einrichtungen der Behindertenhilfe in Niedersachsen (AG CEBN), Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V., Telefon 0541 34978-122, RNolte@caritas-os.de