Neuer Blick auf das Leben am Bahnhof
Mal nicht durch den Bahnhof eilen, sondern die Menschen, die sich dort aufhalten, aus einem anderen Blickwinkel betrachten: Diese Erfahrung haben die 26 Mitglieder des Satelliten-Clubs Rotary Osnabrück in der vergangenen Adventszeit gemacht, als sie die Verkaufsbude der Bahnhofsmission im Osnabrücker Hauptbahnhof betreuten. Den Kontakt zur Bahnhofsmission, die sich in ökumenischer Trägerschaft von Diakonie und Caritas befindet, hatte die Rotarierin Carina Uhlen mit ihren engen Kontakten zur Caritas Osnabrück hergestellt.
Für die Mitglieder des Rotary Clubs war der ehrenamtliche Einsatz mit ganz neuen Begegnungen und nicht alltäglichen Erlebnissen verbunden. "Ich habe im Vorfeld wenig darüber nachgedacht, was genau eigentlich diejenigen machen, die in der Bahnhofsmission arbeiten, und welche Menschen zu ihnen kommen", sagt Claudia Stickling. "Da waren Schicksale dabei, die haben mich nicht wieder losgelassen." Die Bahnhofsmission ist Anlaufpunkt für hilfesuchende Reisende, aber auch für alle anderen, die in Not geraten sind und einen Ansprechpartner suchen.
Tobias Ritzmann etwa erinnert sich an eine recht verwahrlost aussehende, vermutlich wohnungslose Frau, die ihm und einem Rotary-Kollegen nahe der Weihnachtsbude auffiel. "Wir haben dann die Mitarbeiter der Bahnhofsmission informiert und sofort kam jemand, der dieser Frau freundlich Hilfe anbot." Aber: "Die Dame wollte sich partout nicht helfen lassen." Auch das sei eine besondere Erfahrung gewesen: "Nicht immer, wenn man Hilfe anbietet, wird diese auch angenommen."
Gute Laune beim Dienst in der Weihnachtsbude der Bahnhofsmission Osnabrück: die Rotarier Jörg Rensmann (links) und André Pohl.Foto: Satelliten-Club Rotary Osnabrück
Den Rotary-Aktiven sind die vielen Gespräche im Gedächtnis geblieben, die sich über gestrickte Socken, Eierlikör, Schmalzbrote und Marmeladen hinweg ergeben haben. "Zu uns sind nicht nur Kunden gekommen, die gerne etwas für den guten Zweck gekauft haben, sondern auch Hilfesuchende, die zur Bahnhofsmission wollten", sagt Falk Hassenpflug. Der Vorsitzende des Satelliten-Clubs Rotary Osnabrück, André Pohl, ergänzt: "Raus aus der Bude, auf die Menschen zugehen, sie ansprechen, an den Stand holen: Das war das Erfolgsrezept, um das Angebot zu präsentieren und die Kasse zu füllen. Und das hat Spaß gemacht!"
Der Dienst in der Weihnachtsbude lud dazu ein, die verschiedenen Menschen auf dem Bahnhofsvorplatz zu beobachten. "Man lernt den Bahnhof von einer ganz anderen Seite kennen", beschreibt Jörg Rensmann die Erfahrung. "Es waren spannende Stunden dort", sagt auch Kirsten Scherler. Sie erinnert sich schmunzelnd: "Anfangs wurde der Eierlikör eher skeptisch begutachtet - am Ende war er fast ausverkauft." Viele Kunden hätten auch Geld in die Spendendose gesteckt, ergänzt Rensmann.
Carina Uhlen zeigt sich von der Begegnung mit einer älteren Frau beeindruckt, die jedes Jahr extra zum Stand der Bahnhofsmission kommt, um dort Quittengelee zu kaufen - um Gutes zu tun und weil ihr selbst die Herstellung zu mühsam ist. "Das hat mir auch noch einmal deutlich gemacht, wie viel Arbeit und Engagement die Ehrenamtlichen der Bahnhofsmission einbringen", sagt sie. "Sogar zu Hause in der Küche, wenn sie für die Weihnachtsbude Gelee kochen oder das Schmalz für die Brote zubereiten." Sie und ihre Rotary-Freunde sind sich einig: "Das machen wir gerne wieder."
Text: Franziska Kückmann,