Osnabrück, 29. Oktober. In Russland werden pflegende Angehörige mit ihrer Situation, einen alten, kranken oder behinderten Menschen zuhause zu pflegen, alleine gelassen. Physisch und psychisch sind sie oft vollkommen überfordert. Zudem fehlt es an jeglichen technischen Pflegemitteln. Auch die Pflege alter, kranker und behinderter Menschen in medizinischen und sozialen Einrichtungen findet in vielen Fällen unter menschenunwürdigen Bedingungen statt. Krankenschwestern gelten von ihrer Ausbildung und von ihrem Berufsverständnis her als Arzthelferinnen ohne Pflegekompetenz.
In den letzten vier Wochen haben 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der russischen Caritas-Hauskrankenpflegezentren aus verschiedenen Städten Russlands ein Pflegepraktikum in Deutschland absolviert. Acht Teilnehmer haben in Altenheimen und Hauskrankenpflegestationen des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e.V. hospitiert. Die Hospitation ist Bestandteil eines dreijährigen Fortbildungsprogramms der Caritas Russland.
Mit den so genannten Hauskrankenpflegezentren soll ein erster Stein ins Rollen gebracht werden, um die Qualität der Pflege und damit die Lebensbedingungen pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen zu verbessern.
Im Rahmen einer Abschlussveranstaltung trafen die Hospitanten nun in Osnabrück im Haus der Sozialen Dienste zusammen und tauschten ihre Erlebnisse aus: „Es hat uns sehr beeindruckt, wie behinderte und alte Menschen als Personen in Deutschland geachtet werden. Es war für uns sehr hilfreich, dass wir in den Praktikumseinrichtungen sehr offen empfangen und in die Teams aufgenommen wurden. Es entstanden herzliche, vertrauensvolle und partnerschaftliche Beziehungen. Dadurch konnten wir das neue Wissen und die neuen Fertigkeiten effektiv erlernen.“
Caritasdirektor Franz Loth zeigte sich erfreut über die positiven Rückmeldungen. „Das Projekt Hauskrankenpflege reiht sich ein in die 10jährige intensive und erfolgreiche Partnerschaft unseres Caritasverbandes mit der Caritas in Russland.“
Das Projekt Hauskrankenpflege ist dem Engagement von Schwester Elisabeth Jakubowitz, Diözesancaritasdirektorin für Westsibirien, zu verdanken. Sie hat die Probleme in der Pflege seit vielen Jahren im Blick. Als sie 1995 zum Wiederaufbau kirchlichen Lebens und kirchlicher Sozialarbeit nach Sibirien ging, war es ihr Wunsch, pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen zu unterstützen. Seit Januar 2005 wurde das Konzept zu Hauskrankenpflege mit Unterstützung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ der Bundesrepublik Deutschland, des Deutschen Caritasverbandes und der Caritas Frankreich im „Qualifizierungsprogramm in der Hauskrankenpflege der Caritas in Russland“ umgesetzt und zunächst in 6 Modellzentren erprobt. Im September 2008 wurde das Programm auf 9 Zentren erweitert.
Den Krankenschwestern der Hauskrankenpflegezentren wird nicht nur Pflegekompetenz vermittelt, sondern sie werden zu Multiplikatorinnen geschult. Ihre Aufgabe ist die individuelle Pflegeberatung und Anleitung für Patienten und pflegende Angehörige. Darüber hinaus schulen sie selbst Krankenschwestern und Haushaltshilfen, gewinnen ehrenamtliche Helfer und unterstützen die Selbstversorgungsmöglichkeiten der Patienten sowie die Organisation von Selbsthilfegruppen pflegender Angehöriger. Ziel des Projektes ist der Schutz und die Entfaltung von Selbsthilfekräften der Familie sowie die Vermittlung von Pflegekompetenz bei Krankenschwestern und anderen Pflegekräften.
„Das Pflegepraktikum in Deutschland war von enormer Bedeutung“, erklärt Schwester Elisabeth. „Die fehlende persönliche Erfahrung der Krankenschwestern in der Pflege und im Umgang mit Patienten und Angehörigen kann nicht durch theoretische Wissensvermittlung ersetzt werden. Aus diesem Grund haben wir dieses Pflegepraktikum in Deutschland für alle Mitarbeiterinnen des Projektes geplant und schauen dankbar auf die gemachten Erfahrungen zurück. Jeder Einzelne nimmt einen Schatz an Erfahrungen und persönlichen Erlebnissen mit nach Hause und ich bin mir sicher, dass die gewonnenen Eindrücke unser weiteres Handeln und unsere Arbeit mitbestimmen werden.“
Redaktioneller Hinweis:
Weitere Informationen bei Ottmar Steffan, Caritasverband für die Diözese Osnabrück, Referat Weltkirchliche Arbeit Mittel- und Osteuropa, Knappsbrink 58, 49080 Osnabrück, Telefon: 0541-34978-164, OSteffan@caritas-os.de