Bescheiden ist die Wohnung von Reiner eingerichtet, fast karg. Ein Altbau, nicht im allerbesten Zustand, aber allemal besser als mit Nichts auf der Straße zu stehen.
Reiner ist 60 Jahre alt und hat ein ziemlich unstetes Leben geführt. Beruflich war er viel unterwegs als Fleischer im In- und Ausland. Privat war er zweimal verheiratet, hat vier Kinder, doch zu seinen Ex-Frauen hat er keinen Kontakt. Auch zu seinen Kindern war der Kontakt abgerissen. Erst langsam baut er wieder eine Beziehung zu seiner Tochter auf - jahrelang hatte er sich nicht gekümmert: "Sobald es schwierig wurde, bin ich weg - bloß keine Verantwortung übernehmen", erzählt Reiner jetzt rückblickend.
Viele Stationen
Bevor er sich bei der ambulanten Wohnungslosenhilfe des Caritasverbandes in Bersenbrück gemeldet hat, war er schon durch mehrere Einrichtungen "gewandert". Zunächst in einer Einrichtung für chronisch mehrfach beeinträchtigte abhängigkeitskranke Menschen, dann in einer psychiatrischen Klinik. Immer wieder versucht Reiner, sein Leben in den Griff zu bekommen. Doch Alkohol und eine psychische Erkrankung machten ihm immer wieder einen Strich durch die Rechnung.
Schließlich war es für Reiner stets leicht, sich schwierigen Situationen zu entziehen: "Wenn man Schulden, Ärger und Arbeitslosigkeit vor sich hat, dann ist das ein Riesenberg. Wenn man dann einen trinkt, wird man ruhig", erinnert er sich an früher. Doch irgendwann "schämt man sich, dass man da so reingerutscht ist und mit nichts vor der Tür der Wohnungslosenhilfe steht".
Persönlicher Tiefpunkt
Sein persönlicher Tiefpunkt ist im Juni 2017 erreicht. Er erleidet einen Hirninfarkt und liegt schwerkrank im Hospital. Nach einigen Wochen kann er das Krankenhaus zwar verlassen, weiß aber nicht, wohin er überhaupt gehen soll. Eine Wohnung hat er nicht, bei seinen Kumpel und Verwandten kann er auch nicht mehr unterkommen. So steht er, nur mit den Sachen, die er trägt, und einer kleinen Tasche, vor der Tür der ambulanten Wohnungshilfe in Bersenbrück.
Jana Hülsmeier ist Sozialarbeiterin bei der Caritas und betreut Reiner. Langsam, Schritt für Schritt hilft sie dem 60-Jährigen zurück in ein menschenwürdiges Leben mit einem Dach über dem Kopf. Das ist nicht immer einfach: "Reiner tut sich schwer damit, sich seine Probleme einzugestehen und tragfähige Beziehungen aufzubauen. Auch den Umgang mit Geld muss er noch lernen. Derzeit führen wir ein Treuhandkonto für ihn und zahlen ihm wöchentlich Geld aus", erklärt die Sozialarbeiterin. Doch auch viel Gutes weiß Jana Hülsmeier zu berichten: "Reiner ist wohnfähig und nimmt Hilfe gerne an. Er lernt viel über Haushaltsführung und findet sich mittlerweile wieder ganz gut zurecht."
Wohnen für den Übergang
Insgesamt 12 sogenannte Übergangswohnungen hat der Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Osnabrück angemietet. Hier finden Wohnungslose, die nicht mehr auf der Straße leben wollen oder können, eine Bleibe. Dieses Angebot ist sehr gefragt, die Warteliste für solche Übergangwohnungen ist lang. Menschen, die auf der Straße gelebt haben, haben auf dem freien Wohnungsmarkt fast keine Chance, weiß Jana Hülsmeier: "Der Markt ist zu angespannt. Selbst für uns als Sozialverband ist es nicht so einfach, geeignete Wohnungen zu finden."
Wenn die passende Wohnung dabei ist, mietet die Caritas die Wohnung an und vermietet sie an ehemalige Wohnungslose unter - natürlich nach vorheriger Absprache mit dem Vermieter. Die Caritas vermittelt bei Problemen zwischen Vermieter und Mieter und hilft insgesamt bei der Kommunikation. Das Geld für die Miete wird von der Caritas beim zuständigen Sozialamt beantragt - auch das bietet Sicherheit für den Vermieter. Manchmal - wie jetzt bei Reiner - bietet ein Vermieter sogar an, die Wohnung perspektivisch, wenn alles gut läuft, an den Betreuten zu übergeben. Dann wird eine "Probezeit" vereinbart. Wenn alles gut läuft, kann eine Übernahme mit eigenem Mietvertrag umgesetzt werden.
Neuer Lebensabschnitt
Reiner ist in der Übergangswohnung einem selbstbestimmten Leben mit großen Schritten näher gekommen: Bald wird er die Wohnung, die er von der Caritas untervermietet bekommt, als Mieter übernehmen. Das ist ein Riesenschritt für den gelernten Fleischer: "Die Übergangswohnung ist wie ein Sechser im Lotto. Überhaupt hat mir die Caritas sehr geholfen. Wären die Mitarbeiterinnen nicht gewesen, würde ich hier nicht mehr vor Ihnen sitzen."
Wenn er nun bald den Mietvertrag unterschreibt, ist Reiner seit langer Zeit endlich wieder in einem festen Mietverhältnis. Die Betreuung von der Caritas nimmt er aber weiter in Anspruch - sie verspricht Stabilität und Sicherheit und natürlich auch den persönlichen Kontakt.