Pflegeschüler im Paulusheim in Osnabrück bei der Maßnahmenplanung für die Bewohner. Foto: Frauke Damerow / Caritas
Im Rahmen einer theoriegeleiteten Praxiswoche wurden 42 Auszubildende der Altenpflegeschule am Bildungszentrum St. Hildegard in Osnabrück in verschiedenen Pflegeeinrichtungen in Stadt und Landkreis Osnabrück eingesetzt. Bereits zum dritten Mal erhielten Pflegeschüler aus dem zweiten und dritten Ausbildungsjahr die Möglichkeit von dieser Theorie-Praxis-Vernetzung für ihr späteres Berufsleben zu profitieren. Die Praxiswoche ermöglicht den Auszubildenden eine Vorbereitung auf ihre spätere Rolle als Pflegefachkraft. In dieser Woche haben sie die Gelegenheit, Verantwortungsübernahme, Selbständigkeit, organisatorische Fähigkeiten und Zusammenarbeit im Team ganz praktisch zu erfahren.
Anette Lindemann, Schulleiterin der Berufsfachschule Altenpflege am Bildungszentrum St. Hildegard, und Sabine Wolters-Niederholtmeyer, Lehrerin des Bildungszentrums, haben vor drei Jahren gemeinsam mit Kollegen, Praxisanleitern und Schülern ein Konzept für die in dieser Form einmalige theoriegeleitete Praxiswoche entwickelt. Ziel ist es eine Theorie-Praxis-Vernetzung herzustellen: Die gefühlt häufig beschriebene Diskrepanz zwischen Theorie- und Praxis soll aufgeweicht und minimiert werden, im Mittelpunkt stehen der Wissenstransfer und die Anleitung zur Wissensaneignung.
Neben der Theorie umfasst die in Ausbildung der Altenpflege natürlich immer schon auch einen praktischen Teil. Das Neue am Konzept der theoriegeleiteten Praxiswoche besteht jedoch darin, dass die Auszubildenden alle erforderlichen Prozesse steuern, die zur Pflege und Betreuung der Bewohner in den Einrichtungen nötig sind.
Die beiden Auszubildenden Jessica Leimbrink und Patrik August bereiten unter der Anleitung von Praxisanleiterin Anja von Romatowski im Seniorenzentrum St. Konrad in Wellingholzhausen eine Infusion vor. Foto: Frauke Damerow / Caritas
In Zusammenarbeit mit den Praxisanleitern vor Ort, die während der Praxiswoche von anderen Aufgaben freigestellt sind, werden dazu reale Pflegesituationen ausgewählt. Statt wie in den praktischen Ausbildungsabschnitten sonst üblich, führten die Schüler die pflegerische Versorgung nicht nur nach den Vorgaben und Plänen der Vorgesetzten aus, sondern sie übernahmen für eine Woche alle Planungs- und Steuerungsprozesse, die im Alltag die Arbeit von Pflegefachkräften ausmachen.
Vor Beginn der Praxiswoche reflektierten die Schüler gemeinsam mit den Praxisanleitern, die sie in der Woche begleiten werden, ihren Lernstand. Vor dem Hintergrund des ermittelten Lernstands und Lernbedarfs wählten die Praxisanleiter die pflegebedürftigen Menschen für die Praxiswoche aus. Im Verlauf der Woche standen dann die Auseinandersetzung mit der Maßnahmenplanung der Bewohner, die Vertiefung des Wissens zu Diagnostik, Therapie und Behandlungspflege sowie die Ausübung unterschiedlicher Anleitungs- bzw. Aktivierungsmethoden in konkreten Fallsituationen auf der Agenda der Auszubildenden. Wolters-Niederholtmeyer betont dazu: "Die Schüler sollen in der Praxis nicht in Problemen verharren, sondern die Lösungssuche im Pflegealltag ist das Ziel".
Während der theoriegeleiteten Praxiswoche betreute ein Praxisanleiter drei bis vier Schüler der Altenpflege, die jeweils nur drei bis vier ausgewählte Bewohner einer Einrichtung pflegerisch versorgten. Losgelöst vom normalen Schichtdienst lag der Fokus der Praxisanleiter ausschließlich auf der Unterstützung der Auszubildenden in der Praxisausübung. Auch die Dozenten waren vor Ort in den verschiedenen Pflegeeinrichtungen und standen, statt der sonst nur üblichen punktuellen Besuche, den Pflegeschülern in dieser Woche zur Seite.
In der theoriegeleiteten Praxiswoche erlebten die Schüler die Komplexität realer Pflegesituationen, auch war es nicht immer leicht, im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit Ärzten oder Angehörigen gegenüber die richtigen Worte zu finden.
Jessica Leimbrink, Auszubildende im Seniorenzentrum St. Konrad in Wellingholzhausen, schätzte diese Einblicke besonders: "Man bekommt so einen Eindruck von der Gesamtverantwortung, die man in diesem Beruf tragen muss. Außerdem wird man auf diese Weise routinierter und auch selbstsicherer".
"So bekommt man Einblicke in die Tätigkeiten der Pflegekräfte, die man sonst nicht mitbekommt, man sieht ganz andere Seiten der Arbeit", stimmte die Auszubildende Jessica Bläß zu, die im Paulusheim in Osnabrück eingesetzt war. "Man wird schon früh mit Problematiken wie zum Beispiel dem Zeitmangel konfrontiert", ergänzte sie. Aus diesem Grund hat ihr besonders gefallen, dass die Schüler die Zeit hatten, alles langsamer machen zu können, weil sie nur drei bis vier Bewohner zu betreuen hatten. So blieb Zeit zur Reflexion und auch komplizierte oder für die Schüler neue Situationen konnten gemeistert werden.
Auch die Feedbackgespräche zwischen Anleitern und Auszubildenden waren in dieser Woche viel intensiver, weil sich die Anleiter voll auf die Schüler konzentrieren konnten, losgelöst vom Alltagsgeschäft in den Einrichtungen, was dazu beitrug, die Kritikfähigkeit der Auszubildenden weiter zu entwickeln.
Swetlana Prange, Pflegedienstleitung im Paulusheim, ist seit Einführung der theoriegeleiteten Praxiswoche vor drei Jahren dabei. Sie lobte das hohe Niveau des Bildungszentrums St. Hildegard und sieht in der theoriegeleiteten Praxiswoche eine wichtige Chance für die Auszubildenden: "Die Schüler müssen die in der Theorie erlernten Fähigkeiten schnell in die Praxis umsetzen können und viel Verantwortung tragen, daher sind gerade die Erfahrungen, die sie in der Praxiswoche sammeln, im Sinne einer guten Lernortkooperation, so wichtig". Das Fazit der Pflegeschüler in den verschiedenen Einrichtungen war nach dieser Woche durchweg positiv: Einstimmig wurde der Wunsch geäußert, die theoriegeleitete Praxiswoche noch häufiger in den Lehrplan zu integrieren. Die Auszubildenden äußerten ferner, viel gelernt zu haben und erleben sich jetzt sicherer darin, Beziehungen zu Pflegebedürftigen aufzubauen und zu gestalten, eine Grundvoraussetzung den Pflegebedarf zu erfassen und die Pflege zu planen bzw. zu evaluieren. Auch die Dozenten und Praxisanleiter ziehen eine positive Bilanz und sind überzeugt von dem Konzept. Lindemann sieht deutlich die positiven Effekte für beide Seiten: "Die Schüler werden durch die intensive Zeit der Anleitung und der gesammelten Erfahrungen sicherer und gewinnen an Kompetenz, was wiederum auch den Einrichtungen und ihren Bewohnern in Zukunft zugutekommen wird".