Osnabrück. „Es wird kaum nennenswert mehr Geld in das System der Behindertenhilfe und Psychiatrie kommen. Mit etwa den gleichen Ressourcen müssen für mehr Menschen Leistungen erbracht werden.“ Mit dieser nüchternen Erkenntnis stellte Dr. Franz Fink, Referatsleiter Behindertenhilfe und Psychiatrie des Deutschen Caritasverbandes, den 120 aus ganz Deutschland nach Osnabrück gereisten Mitgliedern den Strategie-Entwurf zur Positionierung der Behindertenhilfe und Psychiatrie des Deutschen Caritasverbandes (CBP) vor.
Zuvor hatte die Vorsitzende des CBP, Dr. Elisabeth Kludas, darauf verwiesen, wie wichtig in der derzeitigen sozialpolitischen Situation eine eigene Standortbestimmung sei. Die Parteinahme für Menschen, die in ihrer Teilhabe eingeschränkt und bedroht sind, müsse in jedem Fall in den Vordergrund gestellt werden, so auch Fink. Basis für die Diskussion zur eigenen Positionierung war ein Vortrag von Heinz-Josef Kessmann, Direktor des Diözesancaritasverbandes Münster, der den erkrankten Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Professor Dr. Georg Cremer, vertrat. Unter dem Titel “Sozialpolitisches Lobbying in schwierigen Zeiten“ unterstrich Kessmann die Priorität derjenigen Menschen für die Caritas, die sich nicht selbst helfen können und für ihren Lebensunterhalt auf Unterstützung angewiesen sind. Zugleich betonte er, dass der Sozialstaat nicht Hemmschuh, sondern Voraussetzung für die Stabilität der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und damit auch und gerade für mehr Wachstum sei.
Der Deutsche Caritasverband fordert die gesellschaftliche Teilhabe durch Beschäftigung und Arbeit. Darüber hinaus seien die Sozialversicherungen zukunftsfest zu machen: „Die enge Bindung der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme an lohnbezogene Beiträge ist zu lockern.“ Die Einrichtungen und Dienste der Caritas müssen, so Kessmann, trotz der notwendigen Sozialreformen handlungsfähig bleiben: „Aus Sicht der Betroffenen heißt dies, das Wunsch- und Wahlrecht sowie die Trägerpluralität zu erhalten.“
Seit Juli 2004 haben Menschen mit Behinderung einen Rechtsanspruch auf ein Persönliches Budget. Der CBP spricht sich ausdrücklich dafür aus, das Budget als Geldleistung zu gewähren. Menschen mit Behinderungen sollen selbst bestimmen können, welche Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft für sie persönlich am besten sind. „Mit dem Persönlichen Budget wird den Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen mehr Selbstbestimmung und auch ein höheres Maß an Selbstverantwortung zugeschrieben“, so CBP-Vorstandsmitglied Rupert Vinatzer. Das Persönliche Budget verwirklicht das rechtlich verbriefte Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen. Sie werden als Bürger und Kunden auf eine ganz neue Weise ernst genommen. Doch auch wenn der CBP die Einführung des Persönlichen Budgets grundsätzlich befürwortet, sind Probleme und Gefahren nicht zu übersehen. Erste Erfahrungen in den Modellregionen, zu denen seit Anfang 2004 auch die Landkreise Osnabrück und Emsland zählen, zeigen, „dass eine rein auf Kostenbegrenzung angelegte Einführung der Intention von mehr Selbstbestimmung diametral entgegensteht“, so Vinatzer.
Ein weiteres Thema der zweitägigen Mitgliederversammlung war das qualitätsorientierte Benchmarking: Eine betriebsinterne Kennzahlenbestimmung soll dazu dienen, dass Träger von Wohnheimen und Wohnstätten für Menschen mit Behinderung einen umfassenden Blick auf ihre Einrichtungen werfen und deren Leistungsfähigkeit im Vergleich mit anderen Einrichtungen beurteilen können, so CBP-Vorstandsmitglied Volker Hövelmann. Auch Einrichtungen aus der Diözese Osnabrück beteiligen sich an diesem Programm. „Wir müssen wie jedes andere Unternehmen auch unsere Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wir fordern mehr Wunsch- und Wahlrecht für unsere Klienten. Dies bedeutet zugleich, dass wir in Zukunft unser Leistungsangebot viel mehr in die Öffentlichkeit hinein tragen müssen, damit die Menschen wissen, was sie von uns erwarten dürfen. Damit wird natürlich auch der Wettbewerb unter den Anbietern zunehmen. Auf beides können und müssen wir uns schon jetzt einstellen“, so die Geschäftsführern des CBP, Dr. Ursula Wollasch.