Welche Warnsignale gibt es, wenn ein Jugendlicher suizidgefährdet ist? Eine der ehrenamtlichen [U25]-Peers informiert an der Wilhelm-Staehle-Schule. FFoto: Caritas / Sebastian Hamel
Marcel ist 28 Jahre alt, lebt in Berlin - und es geht ihm gut. Das war nicht immer so: Seit seinem 18. Lebensjahr litt der junge Mann an einer Depression, quälte sich durch den Alltag. Mit der richtigen Hilfe hat Marcel seinen Weg zurück ins Leben gefunden und ermutigt nun junge Menschen, sich ebenfalls Unterstützung zu suchen, wenn es ihnen schlecht geht. Gebannt verfolgen die Schülerinnen und Schüler der Wilhelm-Staehle-Schule in Neuenhaus seine Videobotschaft, die Teil des Workshops "[AUSWEG]LOS!" ist: Einen ganzen Schultag lang setzen sich die Jugendlichen im Rahmen dieses Caritas-Präventionsprojekts mit dem Thema Suizid auseinander, tauschen ihre Gedanken dazu aus und räumen unter fachlicher Begleitung mit Vorurteilen auf. Insgesamt sieben Klassen der Jahrgangsstufen 8 bis 10 nehmen nacheinander an dem Workshop teil; zuvor war das Projekt bereits an drei emsländischen Schulen zu Gast.
Erwachsen ist "[AUSWEG]LOS!" aus dem schon länger bestehenden Online-Beratungsangebot "[U25]": Junge Menschen können sich dabei mit ihren Sorgen und Fragen per E-Mail melden, die Hilfegesuche werden dann von ehrenamtlichen, ebenfalls jungen Beraterinnen und Beratern im Alter von 16 bis 25 Jahren - den sogenannten "Peers" - vertraulich beantwortet. Der Caritasverband für den Landkreis Emsland ist einer von insgesamt elf "[U25]"-Standorten in Deutschland. Mit der Zeit gingen allerdings auch immer wieder
Anfragen von Schulen ein, ob es nicht möglich wäre, auch vor Ort Aufklärungsarbeit zum Thema Suizid zu leisten. So entstand die Idee, ein Angebot speziell für Schulen zu entwickeln.
Dass es hierzu Gesprächsbedarf gibt, weiß auch Stephanie Soumah, die seit rund 14 Jahren als Schulsozialarbeiterin an der Wilhelm-Staehle-Schule in Neuenhaus tätig ist: "Ich habe immer wieder mit Schülerinnen und Schülern zu tun, die Suizidgedanken äußern - oder die von Freunden erzählen, die solche Gedanken haben. Umso wichtiger ist es, zu vermitteln, dass man darüber sprechen darf." So sei etwa der Irrglaube verbreitet, man fördere solche Vorhaben erst, wenn man Betroffene darauf anspricht. "Selbst ich als Fachfrau dachte das", sagt Stephanie Soumah. "Aber das Gegenteil ist der Fall."
Eigentlich ganz einfach: Eine Botschaft, die Mut macht, schenkt Lebensmut. Foto: Caritas / Sebastian Hamel
Die "[AUSWEG]LOS!"-Workshops berichtigen noch eine Reihe weiterer falscher Annahmen - etwa Aussagen wie "Menschen, die mit Suizid drohen, wollen nur Aufmerksamkeit erhalten!", "Wer an Suizid denkt, ist verrückt!" oder "Suizide ereignen sich hauptsächlich in der Stadt, nicht auf dem Land." Durch eine ansprechende Methodik werden die schweren Inhalte so aufbereitet, dass die Jugendlichen einen Zugang finden und sich aktiv damit befassen können. Oberstes Gebot: Alles muss auf Augenhöhe vonstatten gehen. Deshalb ist neben der hauptamtlichen Mitarbeiterin Christina Jaspers auch stets eine oder einer der ehrenamtlichen "Peers" aus der "[U25]"-Beratung dabei, die durch entsprechende Schulungen auf die Tätigkeit vorbereitet wurden - im Fall von Neuenhaus eine 19-jährige Gymnasiastin aus Lingen. Sie sagt: "Natürlich beschäftigen mich die Probleme der Jugendlichen, aber es ist ein gutes Gefühl, helfen zu können."
Auch bei den Schülerinnen und Schülern kommt der außergewöhnliche Unterrichtstag gut an: "Es ist gut, dass man darüber redet. Über so ein Thema wird ja sonst eher geschwiegen", meint ein Schüler. Und ein anderer sagt: "Mir hat es gezeigt, dass wir uns mit Problemen nicht verstecken müssen, sondern Hilfe annehmen sollten." Finanziert wird das Projekt über die Gesundheitsämter der beiden Landkreise. Die aktuelle Finanzierung läuft noch bis kommenden Mai,
interessierte Schulen können sich bei Christina Jaspers telefonisch unter 0591/ 80062-307 oder per E-Mail an cjaspers@caritas-os.de melden. Weitere Informationen sind zudem unter www.ausweglos.info und www.u25-emsland.de zu finden.
Marcel aus Berlin, der selbst Unterstützung durch die Caritas erhielt, fasst sein Anliegen mit zwei wesentlichen Botschaften an die Jugendlichen zusammen - und dem schließen sich auch die Initiatoren von "[AUSWEG]LOS!" an: "Du bist kein Freak und nicht weniger liebenswert, wenn du Suizidgedanken hast!", und: "Es gibt immer einen Ausweg, der zwar hart und unangenehm sein kann, sich am Ende aber lohnt."