Von der Platte aufs Parkett
Die Teilnehmenden am Tanzprojekt für Drogensüchtige in Osnabrück schauen genau auf die Schritte von Tanzlehrer Jan-Frederick Heese.Franziska Kückmann
"Links, zwei, drei, Drehung!" Tanzlehrer Jan Frederick Heese macht die Bewegungen erst einmal ohne Musik vor. Konzentriert schauen rund zehn Augenpaare auf seine Füße. Gar nicht so leicht, die verschiedenen Schrittfolgen in die richtige Reihenfolge zu bekommen - und später auch noch etwas schneller zur Musik!
Doch die Tanzenden sind mit Eifer und Begeisterung bei der Sache. Das Besondere: Jeder von ihnen hat seine eigene Drogengeschichte. Sucht, Absturz, Klinikaufenthalt, Nachsorge, betreutes Wohnen - die Lebenswege sind alle ein bisschen anders verlaufen, die Drogen haben sie gemeinsam. Das Tanzen ist für die meisten von ihnen eine richtige Herausforderung.
Bewegung, soziales Miteinander
"Drogen schädigen sehr - die Motorik, das Gedächtnis, die Koordination", sagt Caritas-Suchttherapeutin Christiane Westerveld. Sie arbeitet im Betreuten Wohnen für Gefährdete in Osnabrück und hat das Tanzprojekt gemeinsam mit Jan Frederick Heese auf die Beine gestellt. "Ich dachte mir, dass Tanzen in vielerlei Hinsicht eine gute Sache sein könnte für unsere Klientinnen und Klienten", erklärt Christiane Westerveld. "Hier sind Bewegung und Merkfähigkeit gefragt, aber auch das soziale Miteinander - sich begrüßen, anfassen, führen und geführt werden, sich verabschieden. Alles Dinge, die vielen Drogenabhängigen sehr fremd sind und die sie neu oder wieder neu erlernen müssen."
Die Teilnehmenden kommen aus den Einrichtungen der Caritas-Suchthilfe wie dem Betreuten Wohnen oder der Fachklinik Nettetal in Wallenhorst. Außerdem ist der Kreuzbund Kooperationspartner, der über ein großes Netzwerk an Selbsthilfe-Gruppen verfügt. Zu den Mittanzenden zählen darüber hinaus drei Studentinnen von der Hochschule Osnabrück, die das Tanzprojekt im Rahmen ihres Studiums der Sozialen Arbeit wissenschaftlich begleiten und später auswerten werden.
Gute Laune beim Tanzen: Die Teilnehmenden am Tanzprojekt für Drogensüchtige in Osnabrück sind mit viel Freude bei der Sache.Franziska Kückmann
Gruppengefühl
Christiane Westerveld und Jan Frederick Heese sind begeistert davon, wie gut das Tanzen von den Betroffenen angenommen wurde. "Ich habe mir vor der ersten Stunde ein paar recht einfache Sachen überlegt", erinnert sich der Tanzlehrer. "Aber dann waren die Leute hier so flink dabei, dass ich direkt Inhalte aus der zweiten Stunde aufgreifen musste. Ich habe das Konzept dann noch mal überarbeitet."
Die Suchttherapeutin ergänzt: "Ein paar der Teilnehmenden musste ich vor dem Start regelrecht zum Mitmachen überreden. Jetzt kommen alle pünktlich und zuverlässig; es hat sich ein richtiges Gruppengefühl entwickelt."
Neues lernen
Auch die Tanzschüler selbst bestätigen, wie viel Spaß sie an diesem Projekt haben. "Die Bewegung ist toll und auch, dass ich etwas Neues ausprobieren kann", sagt ein Teilnehmer. Ein anderer fügt hinzu: "Eine Herausforderung ist es trotzdem, sich darauf einzulassen, sich zur Musik zu bewegen und anderen so nahe zu kommen." Neben individuell getanzten Schritten sollen die Männer und Frauen auch zu zweit tanzen, sich an den Händen berühren - das kann Überwindung kosten.
"Ich habe auch schon einen Titel für einen Text über unser Tanzen", sagt ein junger Mann. "Von der Platte aufs Parkett. Das passt doch, oder?"