Osnabrück, 7. Mai 2010. Immer mehr psychisch Kranke leiden unter Suchtproblemen – ebenso sind Menschen mit einer Suchtproblematik stärker gefährdet, psychisch zu erkranken als Normalbürger. Seit zehn Jahren arbeitet der Verbund Psychose und Sucht in der Region Osnabrück an Methoden, diesen Menschen zu helfen. An diesem Wochenende wurde Bilanz gezogen und neue Konzepte entwickelt.
Wissenschaftliche Daten zeigen, dass schizophrene Patienten dreimal häufiger an Alkoholismus und sechsmal häufiger an anderen Suchtstörungen leiden als die Normalbevölkerung. Schizophrene Patienten haben zu fast 50 Prozent einen schädlichen Gebrauch oder eine Abhängigkeit von Suchtstoffen. Dabei steigt insbesondere der Konsum von Cannabis. Während knapp ein Prozent aller Normalbürger an Schizophrenie erkranken, liegt die Quote bei Patienten mit Alkoholmissbrauch- oder Abhängigkeit bei 3,8 Prozent, bei Abhängigkeit von anderen Substanzen sogar bei 6,8 Prozent.
Um der steigenden Zahl von Menschen mit psychischer Erkrankung und Suchtproblematik ein qualifiziertes Angebot machen, und damit der besonderen Problematik gerecht werden zu können, schloss sich der Rehabilitationsverbund Psychose und Sucht zusammen. Ziel des „Osnabrücker Modells“ war die Vernetzung der vorhandenen Kompetenzen des AMEOS Klinikums, des Reha-Zentrums am Hesselkamp und der Fachklinik Nettetal. „In den Einrichtungen für psychisch Kranke war bis dahin Sucht ein Ausschlusskriterium, in Suchteinrichtungen wurden Patienten mit zusätzlicher psychischer Erkrankung nicht aufgenommen“, sagt Dr. Elke Sylvester, medizinische Leiterin an der Fachklinik Nettetal.
Heute berücksichtigen Ärzte und Therapeuten in der Akut- und Rehabilitationsbehandlung beide Erkrankungen. Die Informationsvermittlung über Krankheitsbild, Behandlung mit Medikamenten unter Berücksichtigung eines Abhängigkeitspotenzials, psychotherapeutische Einzel- und Gruppentherapien, Ergo- und Arbeitstherapien, Praktika zur Belastungserprobung und beruflichen Orientierung, Sozialberatung, Milieutherapien sowie Anleitungen zu Sport- und Freizeitgestaltung wurden ausgebaut. Auffallend ist, dass die Patienten mit Doppeldiagnosen in den vergangenen zehn Jahren jünger waren als andere Patienten, jedoch konnte ein Großteil erfolgreich in die Selbstständigkeit entlassen werden.
„Für uns hat sich dieser bundesweit einzigartige Verbund bewährt. Wir haben dadurch differenzierte Behandlungsangebote in der Region, die wir dieser Patientengruppe zur Verfügung stellen können“, so Klaus Winkelmann, Leitender Arzt am AMEOS Klinikum Osnabrück.
Während eines Fachtags diskutierten am Wochenende Fachleute aus Praxis und Wissenschaft über neue Konzepte und Weiterentwicklungen, basierend auf den Ergebnissen des Verbundes. Sie gaben exemplarisch Einblicke in Behandlungsansätze und besuchten die beteiligten Einrichtungen vor Ort. „Im Rahmen dieses fachlichen Austausches konnten wir nach zehn Jahren Verbundsarbeit Bilanz ziehen und die Weichen stellen für die Herausforderungen der kommenden Jahre“, sagt Jochen Becker vom Reha-Zentrum am Hesselkamp.
Ansprechpartner für weitere Informationen:
Klaus Winkelmann, Tel.: 0541/313-89501, Jürgen Boder, Tel.: 0541/408920, Jochen Becker, Tel.: 0541/18001-56.