Osnabrück. Der Mischkonsum verschiedener legaler und illegaler Suchtstoffe hat insbesondere unter Jugendlichen in Deutschland stark zugenommen. Das gesundheitliche Risiko wird durch den gleichzeitigen Konsum unterschiedlicher Substanzen potenziert. Anders als z.B. in den Niederlanden ist das deutsche Hilfesystem bislang stark nach Suchtstoffen ausgerichtet. Ziel des Deutsch-Niederländischen Verbunds Suchthilfe (DNV), einem gemeinsamen von der Europäischen Union geförderten Projekt des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e.V., des Kreuzbund Diözesanverband Osnabrück e.V. und der niederländischen Suchthilfeorganisation Tactus ist es, diesen neuen Konsummustern in Deutschland Rechnung zu tragen. Dabei profitieren Kreuzbund und Caritas von den Erfahrungen auf niederländischer Seite.
Im Gegenzug dazu ergänzt Tactus derzeit mit deutscher Hilfe die bestehenden stationären und ambulanten Angebote um die Selbsthilfe nach dem Vorbild von Kreuzbund und Caritas. Die seit vielen Jahrzehnten in Deutschland praktizierte Selbsthilfe, die eng verknüpft ist mit der professionellen Suchttherapie, wurde in den Niederlanden bislang so nicht praktiziert. Die Stärken der niederländischen und der deutschen Suchthilfe werden seit 2 ½ Jahren kontinuierlich zusammengeführt und weisen beachtliche Erfolge auf: Die auf deutscher Seite ins Leben gerufenen Selbstkontrollgruppen SKOLL, das „Lebensstiltraining“ und „Reha Life“ wurden sehr gut angenommen. „Mit unseren SKOLL-Gruppen wollen wir erreichen, dass Menschen ihren Drogenkonsum hinterfragen“, erklärt Sabine Bösing vom Caritasverband für die Diözese Osnabrück. Die SKOLL- Gruppen richten sich an Menschen, die verschiedene Suchtstoffe konsumieren. Gleiches gilt für die Teilnehmer des „Lebensstiltrainings“, das sich an Patienten der Fachklinik Holte-Lastrup (Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit) und der Fachklinik Emsland (illegale Drogen) wendet. Bösing und ihr niederländischer Kollege Adri Hulshoff haben für diese neuen Angebote ein niederländisches Konzept weiterentwickelt: In zehn Bausteinen werden unterschiedliche Themen wie die Frage nach persönlichen Werten, der Freizeitgestaltung oder dem Umgang mit Konfliktsituationen im Alltag bearbeitet. Über 200 Personen nahmen seit Juni 2003 auf deutscher Seite an diesen Leistungssegmenten des Caritasverbadnes teil.
Die suchtstoffübergreifende Arbeit im Kreuzbund erreichte 217 Personen: „Die Verjüngung in unseren Gruppen hat funktioniert, der Anteil der unter 35jährigen ist von 2 auf 16% und der Anteil der Mehrfach- und Anders-Abhängigen ist auf 25 % gestiegen“, so Günter Niemeyer, Geschäftsführer des Kreuzbund Diözesanverband Osnabrück.„Die Anwendung der suchstoffübergreifenden Arbeit in der Selbsthilfe als neuem konstituierendem Konzept ist ein absoluter Volltreffer geworden. Unsere Auswertungen belegen, dass mit der Anwendung der suchtstoffübergreifenden Arbeit insbesondere Suchtabhängige jüngerer Generationen erreicht werden können und sie ermutigt werden, sich in der Selbsthilfe zu engagieren“, so Josef Moss, Mitglied der Steuerungsgruppe des DNV und Europareferent beim Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V., auf der Fachtagung des Suchthilfeverbandes in Osnabrück.
In den Niederlanden existierten Selbsthilfegruppen wie sie der Kreuzbund deutschlandweit vor mehr als 100 Jahren ins Leben rief, bis zum DNV-Projekt nicht. Tactus ergänzt derzeit mit deutscher Hilfe die bestehenden Angebote um die Selbsthilfe: „Gemeinsam mit dem Kreuzbund haben wir für die niederländische Zielgruppe Seminare entwickelt und durchgeführt. Wir empfinden das Aus- und Weiterbildungsprogramm des Kreuzbundes als die wichtigste Säule unseres Erfolgs“, so Adri Hulshoff von Tactus. Zurzeit nehmen 60 Personen an Selbsthilfegruppen teil. Über 200 Personen haben bereits die Gruppen besucht. Seit einigen Monaten werden Gruppenleiter ausgebildet, die in Zukunft die Selbsthilfegruppen leiten sollen.
„Wir haben beachtliche Erfolge im Beschreiten neuer Wege in der Suchttherapie vorzuweisen und hoffen auf einen Fortgang dieser Arbeit auch nach Abschluss des Projekts im Juni 2006“, erklärt Conrad Tönsing, Mitglied der Steuerungsgruppe des DNV und Leiter des Geschäftsbereichs Suchtprävention und Rehabilitation des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück, die Zukunftswünsche der Projektpartner und wirft zugleich einen Blick in die Zukunft: „In den nächsten Jahren wird Europa weiter zusammenwachsen – insbesondere auch bei der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich von Gesundheit und Soziales. Umso wichtiger wird es deshalb sein, Partnerschaften zu suchen, um den sich stellenden Herausforderungen gut begegnen zu können und wirksame Hilfen für Menschen mit substanz- und verhaltensbezogenen Störungen anbieten zu können.“
Das Projekt wird im Rahmen des INTERREG-IIIA-Programms für die EUREGIO u.a. mit Mitteln der Europäischen Union, der Niederlande und des Landes Niedersachsen finanziert. Eine Evaluation des Projekts führen die Fachhochschule Leiden und die Fachhochschule Osnabrück gemeinsam durch.