Osnabrück. 440 Euro für Schulmaterialien hatte sie vor einigen Wochen aufzubringen. Frau X. ist vierfache Mutter und lebt zusammen mit ihrem Mann und ihren Kindern von Arbeitslosengeld (ALG) II. Alle vier Kinder brachten zu Schulbeginn Listen mit benötigten Arbeitsmaterialien mit nach Hause. Schreib- und Übungshefte, Federmappe oder schulische Pflichtveranstaltungen sind seit dem 1. Januar 2005 als Schulbeihilfen für ALG II-Empfänger gestrichen. Darunter fallen auch die häufig im Unterricht eingesetzten Übungs- und Arbeitshefte sowie einzelne Bücher. Diese Lernmaterialien werden von dem in Niedersachsen praktizierten und für ALG II-Empfänger kostenlosen Schulbuch-Ausleihverfahren nicht erfasst. So kommen auf die Familien pro Kind 50-100 Euro zu, die sie zu Beginn eines Schuljahres aus der laufenden Regelleistung zu bestreiten haben.
„Dann stehen Sie da und wissen einfach nicht, wie’s gehen soll!“, erzählt Frau X. Für Familie X. waren die Kosten besonders hoch, da die beiden Kleinsten eingeschult wurden. Schultüte und Schulranzen mussten her – und dies alles galt es aus dem Regelsatz des ALG II zu bezahlen. Eine Stange Geld, wenn man bedenkt, dass Familie X. 400-600 Euro pro Monat zum Leben hat. „Ich zahle die Schulden immer noch ab“, erzählt Frau X., die sich Hilfe suchend an die Allgemeine Soziale Beratung (ASB) des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Osnabrück gewendet hat.
„Im August hatten wir vermehrt Anfragen von Familien im ALG II-Bezug, die sich nicht in der Lage sahen, das Schulmaterial ihrer Kinder zu finanzieren“, so Barbara Zerhusen von der ASB des Caritasverbandes. In den ersten drei Quartalen hatte die Allgemeine Soziale Beratung der Caritas 800 Kontakte: 50% der Klienten waren auf der Suche nach Hilfe in einer schwierigen finanziellen Situation.
D as Sozialgericht Hannover hat vor wenigen Wochen die ARGE "Jobcenter in der Region Hannover" in zwei Fällen mittels einstweiliger Anordnungen dazu verpflichtet, einmalige Zahlungen bzw. Leistungen für Schulbedarf – Arbeitshefte und -bücher sowie Schulranzen – auf dem Darlehenswege zu erbringen. Die Darlehenstilgung erfolgt durch monatliche Aufrechnungen mit der laufenden Regelleistung.
„Das Urteil des Sozialgerichts Hannover hilft den Familien aber kaum weiter. Wenn die Familien die Gelder zurückzahlen müssen, bleibt die finanzielle Belastung die Gleiche und berücksichtigt nicht, dass auch für andere zusätzliche Belastungen nur Darlehen vergeben werden“, gibt Zerhusen zu bedenken. Denn einmalige Beihilfen wie es sie noch im Jahr 2004 z.B. für den Kauf eines Kühlschranks gab, gibt es nur noch bei der Erstausstattung einer Wohnung oder z.B. bei mehrtägigen Klassenfahrten. „ An Weihnachten mag ich noch gar nicht denken. Das fällt bei uns in diesem Jahr ins Wasser. Ich weiß einfach nicht, woher ich das Geld für Geschenke nehmen soll“, sagt Frau X. kopfschüttelnd. Denn auch die Weihnachtsbeihilfe gibt es nicht mehr. Die ehemaligen Beihilfen sollen laut Gesetzgeber beim ALG II durch die Erhöhung des Regelsatzes ausgeglichen worden sein. Frau X. hat jedoch nach eigenen Angaben nur 4 Euro im Monat mehr zur Verfügung, die sie also für Extras – Weihnachten, Reparaturen von Elektrogeräten – zur Seite legen kann.
Barbara Zerhusen stimmen die Entwicklungen, die sie zurzeit in der Beratungsstelle beobachtet, nachdenklich: „Das Allerschlimmste ist, dass es in diesem Fall negative Auswirkungen für die Schwächsten in der Kette hat – für die Kinder.“ Der Caritasverband bittet in diesen Wochen um Spenden, um die Beratungsangebote für Familien in Not zu unterstützen. Spenden werden auf das Konto 1313 bei der Sparkasse Osnabrück, BLZ 265 501 05, Stichwort "Beratung für Familien" erbeten.