Die Zahl der Menschen in Niedersachsen, die ohne jegliche Unterkunft sind oder auf der Straße leben, ist unklar. Aber rund 14.000 nutzen pro Jahr die Angebote der Tagesaufenthalte für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen. Seit 30 Jahren koordiniert und erweitert die "Zentralen Beratungsstelle Niedersachsen" (ZBS) diese vielfältige, gesetzlich verankerte Hilfe.
Zum 30-jährigen Bestehen lud die ZBS zu einem festlichen Fachtag in die Ärztekammer Niedersachen in Hannover, dessen prominentester Gast der Auftraggeber der ZBS war: der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil.
Weil gratulierte der ZBS mit herzlichen Worten: "Mein herzlicher Dank gilt dem Diakonischen Werk und der Caritas. Die Zentrale Beratungsstelle Niedersachsenist unter ihrer Verantwortung zum ersten Ansprechpartner im Land Niedersachsen für all die Einrichtungen und Träger geworden, die Hilfen für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten organisieren." In seinem Festvortrag zu "Armut in einem reichen Land" hob der Ministerpräsident insbesondere die Bedeutung von vorbeugenden Maßnahmen hervor: "Der Kampf gegen Teilhabearmut und für möglichst frühe Bildung und Qualifizierung der Menschen muss im Mittelpunkt stehen. Dafür ist ein gemeinsamer Kraftakt von Bund, Ländern und Kommunen notwendig."
Zuvor hatten Caritasdirektor Franz Loth und Cornelius Hahn, Vorstand des Diakonischen Werks in Niedersachsen, die Arbeit der ZBS und der vielen Mitarbeitenden in den Einrichtungen und Beratungsstellen gewürdigt.
Die Arbeit der ZBS und der angegliederten Hilfeeinrichtungen richtet sich an wohnungs- und obdachlose Menschen, die vorübergehend bei Freunden und Bekannten immer wieder Unterschlupf finden oder gar im Freien schlafen ("Platte machen"). Sie haben in der Regel mit einem Bündel an Problemen zu kämpfen. In den 30 Jahren des Bestehens der ZBS hat sich auch die Arbeit für Wohnungslose verändert. "Insbesondere die niedrigschwelligen Einrichtungen, wie zum Beispiel Tagesaufenthalte, werden zunehmend von jungen Menschen mit teils massiven sozialen Schwierigkeiten aufgesucht. Diese Entwicklung beobachten wir mit Sorge", erläuterte der Geschäftsführer der ZBS Ulrich Friedrichs.
Auch der Anteil der Hilfesuchenden mit psychischen Erkrankungen steige an. Landesweit bieten 137 Beratungsstellen, Tageswohnungen, Übernachtungsstellen und weitere Einrichtungen Hilfe, wenn jemand seine Wohnung verloren hat oder auf der Straße lebt.
Die Hilfeangebote für Wohnungslose werden von den Freien Wohlfahrtsverbänden, insbesondere Caritas und Diakonie, getragen, die im Auftrag des Landes Niedersachsen tätig sind. Unterstützung bei der Weiterentwicklung der Angebote erhalten die Wohlfahrtsverbände durch die ZBS, die wie eine Beratungsstelle für die Berater arbeitet. Auch hier hat sich in den 30 Jahren seit der Gründung viel geändert.
Darüber hinaus erstellt die ZBS den jährlichen landesweiten Statistikbericht über die Hilfen für wohnungslose Menschen. Er ist eine wichtige Grundlage für die Weiterentwicklung der Angebote und liefert wertvolle Informationen über Hilfesuchende, ihre Probleme und die Nutzung der bestehenden Angebote.
Im weiteren Verlauf der Jubiläumsveranstaltung ging es um die medizinische Versorgung Wohnungsloser. Verschiedene Referenten unterstrichen, dass hier erheblicher Handlungsbedarf bestehe. Der Mediziner Prof. Dr. Gerhard Trabert stellte dar, dass die Zugänge zu medizinischer Hilfe umso schwieriger werden, je komplexer die Problemlagen einzelner Menschen sind. Seine bittere Diagnose: "Wenn man nicht systemkonform ist, wird man schlechter behandelt, häufiger krank und früher sterben."