"Aufschwung statt Landflucht - der neue Boom in der Provinz?!" - Der Titel des Caritas-Akademieabends wirkt wie eine Provokation angesichts der Alarmmeldungen zur Zukunft der Dörfer. Im Forum des Landmaschinen-Herstellers Kotte in Rieste am Alfsee diskutierten Fachleute und "Betroffene" darüber, was die ländlichen Gegenden brauchen.
Caritasdirektor Franz Loth warnte gleich zu Beginn vor Alarmismus und plädierte dafür, auf die Stärken des Landes zu schauen: "Es geht um die Vitalkräfte, die wir auf dem Dorf finden: Die sozialen Bindungen, die Verwurzelung in der Heimat, die gemeinsamen Wertvorstellungen." Ein vierter Punkt, den Loth nannte, wurde ein roter Faden des Abends: die ausgeprägte Eigeninitiative, die auf dem Dorf zu finden ist. Loth: "Landleute fackeln nicht lange."
Auch Michael Fedler, beim Landkreis Osnabrück verantwortlich für die strategische Planung, wollte keine düstere Stimmung aufkommen lassen. "Von Landflucht kann im Landkreis Osnabrück keine Rede sein. Wir haben sogar Zuwanderungsgewinne," unterstrich Fedler. Er sieht ebenfalls das Engagement der Landbewohner als einen Lösungsansatz für die Herausforderungen der nächsten Jahre: "Schwierig wird es in Zukunft mit der Pflege und der medizinischen Versorgung. Da brauchen wir das ehrenamtliche Engagement in noch stärkerem Maße als heute."
Das Engagement füreinander und das gemeinsame Tun lag auch Agnes Witschen, Vorsitzende des LandFrauenverbandes Weser-Ems, am Herzen: "Es geht ums Wohlfühlen. Das gelingt, wenn man gemeinsam etwas tut."
Frau Witschen unterstrich, dass die Dorfkneipe ein "Kulturgut" sei, um das man ringen müsse. "Auch die Vereine müssen gucken, ob es nötig ist, dass jeder sein Vereinsheim hat", denn die bedrohen oft die Existenz der Dorfkneipen.
Ein gelungenes Beispiel für das Gemeinschaftsgefühl auf dem Dorf brachte Agnes Witschen aus ihrer emsländischen Heimat mit. Dort ist mit Fördermitteln der Europäischen Union ein öffentlicher Gemüsegarten angelegt worden, der von der Dorfgemeinschaft gepflegt wird.
Auch Dr. Stefan Kotte, Geschäftsführer der Kotte Landtechnik GmbH, plädierte dafür, den Dorfbewohnern mehr Verantwortung zuzubilligen: "Es ist wichtig, dass Entscheidungen direkt von den Bürgern getroffen werden. Das stärkt das Gemeinschaftsgefühl und die Bindung an das Dorf."
Caritasdirektor Loth brachte die Diskussion auf den Punkt: "Wir müssen wieder zur Gestaltungsgemeinschaft werden! Wenn es um die Zukunft der Dörfer geht, dann ist die Königsdisziplin, den Weg gemeinsam auszuhandeln."
Gute Arbeitsplätze sind eine zweite wichtige Voraussetzung für die Zukunft der ländlichen Regionen. "Die Stärke dieser Region sind die mittelständischen, innovativen Unternehmer, die die Menschen auf den Dörfern halten", unterstrich Loth mit Blick auf Kotte und andere Unternehmen.
Damit verband Stefan Kotte eine Herausforderung: "Das geht nur, wenn man qualifizierte Mitarbeiter findet." Kotte unterstrich, dass sein Unternehmen schon früh bei der Nachwuchsförderung ansetzt: "Wir bemühen uns, gehen auf Ausbildungsmessen, sind aktiv, wenn es um den Nachwuchs für unser Unternehmen geht."
Auch Michael Fedler ging auf das Thema Arbeitsplätze ein: "Ein großer Teil der Menschen, die in die Region Osnabrück zuwandern, kommen aus EU-Staaten. Sie sind jung und kommen hierher, weil sie arbeiten wollen. Diese Menschen und ihre Familien müssen wir vom ersten Tag an aufnehmen."
Alles in allem war das Fazit, zumindest für die Region Osnabrück positiv. Moderator Thomas Uhlen lag daher nicht falsch, als festhielt: "Das Fragezeichen unserer Überschrift können wir heute Abend wohl streichen."