Es hat Zeiten im Leben von Matthias gegeben, in denen hat er 16 Stunden am Tag vorm Computer gesessen. Zu Hause, in seinem Zimmer. Hat Videos im Internet geschaut und vor allem PC-Spiele gespielt. "Gezockt", wie er sagt. 19 Jahre alt war er damals. Heute, zwei Jahre später, hat Matthias eine stationäre Therapie gegen seine Sucht hinter sich und geht zur Selbsthilfegruppe "LOG OUT" der Caritas in Osnabrück. "Ich hatte mir mein eigenes Gefängnis vor dem Computer gebaut und war am Nullpunkt", erklärt der 21-Jährige rückblickend. "Jetzt führe ich ein neues, ein anderes Leben."
Einmal in der Woche trifft sich die Selbsthilfegruppe in Osnabrück. Im Moment sind Matthias und Jens zu zweit, ein dritter Teilnehmer ist kürzlich verzogen. Beide würden sich über neue Mitglieder freuen. "Wir sind offen und verurteilen niemanden", betont Jens. "Jeder Betroffene kann zu uns kommen. In unseren Runden sprechen wir darüber, was uns bewegt - mit Blick auf unser Medien-Konsumverhalten, aber auch ganz unabhängig davon."
Viele Gesichter
Onlinesucht hat viele Gesichter, weiß Sandra Pagnoux vom Präventionsprojekt "LOG OUT" der Caritas. "Da geht es nicht nur um ständiges Computerspielen", erläutert die Suchtberaterin. "Andere Betroffene schauen ununterbrochen Filme und Serien im Netz, halten sich dauerhaft in Foren und sozialen Netzwerken auf oder kleben an ihren Smartphones." Problematisch werde es, wenn der Betroffene durch den Konsum sein übriges Leben vernachlässige, dadurch Probleme unterdrücke und nichts anderes mehr für ihn zähle.
So ist es Jens ergangen, der in seiner Jugend viel Computer gespielt hat. "Zu viel", sagt der 28-Jährige heute. Damit habe er zwar irgendwann aufgehört, doch dann habe er angefangen zu streamen, also Serien und Filme im Internet zu gucken. Jeden Tag habe er das gemacht und so dauerhaft, dass schließlich nichts anderes mehr für ihn existierte. "Essen, duschen, einkaufen - mehr gab es neben dem Streamen nicht für mich", erinnert er sich. Zwei stationäre Therapien hat er hinter sich. Und er geht zur Selbsthilfegruppe. "Die Gespräche hier geben mir Halt", sagt er. "Zum Beispiel, wenn ich befürchte, rückfällig zu werden."
Alternativen finden
Denn: Ganz ohne Medien geht es nicht. Dafür sind Computer, Tablet und Smartphone heutzutage viel zu selbstverständlich und Alltagswerkzeuge im Berufs- wie im Privatleben. "Betroffene müssen lernen, sich zu beschränken und Alternativen zur Beschäftigung zu finden", betont Sucht-Expertin Sandra Pagnoux. Jens zum Beispiel schaut zwar noch Serien, "aber dann nur eine oder zwei Folgen". Er hat einen neuen Arbeitsplatz gefunden und das Schwimmen für sich entdeckt. Matthias wiederum versucht, die Finger ganz vom Streamen und den Videospielen zu lassen. Er macht inzwischen viel Sport und spielt ein Kartenspiel "mit echten Karten", wie er sagt. Darüber hat er neue Freunde gefunden.
Die Gespräche in der Selbsthilfegruppe geben beiden jungen Männern Orientierung. "Uns ist jeder willkommen, der das Gefühl hat, einen problematischen Medienkonsum zu haben", sagt Matthias. Die offizielle Diagnose Onlinesucht sei dafür nicht erforderlich. Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden Dienstag um 18 Uhr in den Caritas-Räumen an der Bischofsstraße 44 in Osnabrück. Interessierte können über eine E-Mail an shg-log_out-os@gmx.de Kontakt zu Jens aufnehmen. Wichtig: Die Treffen richten sich direkt an Betroffene, nicht an Angehörige.
Sowohl Betroffene als auch Angehörige finden zudem Rat und Hilfe beim Caritas-Beratungsangebot "LOG OUT". Ansprechpartnerin ist Sandra Pagnoux. Sie ist erreichbar in der
- Caritas-Medienkompetenzwerkstatt "Space Limit"
Bischofsstraße 44, Osnabrück,
SPagnoux@caritas-os.de,
Tel. 0541/ 2051579.