Das geplante Bundesteilhabegesetz (BthG) der Bundesregierung darf so nicht verabschiedet werden. Da waren sich am Mittwochabend beim Diskussionsabend mit der Bundesbehindertenbeauftragten Verena Bentele und der Bundestagsabgeordneten Gitta Connemann (CDU) in den Caritas-Werkstätten in Papenburg alle einig. Die Zeit ist knapp, denn bereits zum Jahreswechsel soll das neue Gesetz gelten.
Die mehrfache Olympiasiegerin Bentele ist sehbehindert und noch bis zum kommenden Jahr als Behindertenbeauftrage der Bundesregierung tätig. Rund 3.000 Eingaben pro Jahr werden von ihr bearbeitet. Sie nahm auf Einladung Connemanns Platz auf dem "Schwarzen Sofa". Dabei machte sie deutlich, dass mit dem neuen Gesetz Teilhabeleistungen vor Pflege gewährt werden müssten. Befürchtet wird allerdings, dass Menschen mit Behinderungen schneller ohne Förderung ihrer Ressourcen leben müssen. "Es gibt eine Vielzahl an Änderungswünschen. Das Gesetz ist jedoch auch nur dann zustimmungsfähig, wenn auch sichergestellt wird, dass Menschen jeden Alters Anspruch auf Teilhabeleistungen haben", so Bentele.
Kritisch betrachtet wurde jedoch auch der sogenannte Bestandsschutz, der für alle Menschen mit Behinderungen bis zum Jahr 2020 gelten soll. "Wir wissen, dass 96 Prozent der Behinderungen nicht mit Geburt, sondern erst im Laufe des Lebens eintreten", so die Beauftragte der Bundesregierung weiter. Fragen gab es aus der Zuhörerschaft daher auch zu Lebensläufen, die erst in den kommenden Jahren eine Änderung erfahren. Hier gebe es ebenso noch Klärungsbedarf. Ebenso hinterfragt wurde, wie denn künftig Menschen mit psychischen Behinderungen oder Erkrankungen gefördert werden. Der Hilfebedarf nimmt derzeit auch aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen stark zu. Auch die Bundestagsabgeordnete Connemann betrachtet den Gesetzentwurf mit Sorge. Die Unsicherheit ist nach ihren Worten bei Menschen mit Behinderungen und Angehörigen, aber auch bei den Fachkräften der Einrichtungen gleichermaßen groß.
"Ja, der Entwurf des BthG macht wir Bauchschmerzen. Es ist zwar gut gemeint, aber nicht gut gemacht", so die Christdemokratin. Es ist nach ihren Worten ein umfangreiches Gesetz mit 400 Seiten und Begründungen geworden, in dem vieles dennoch nicht klar geregelt sei. Aus Gesprächen mit Betroffenen und Einrichtungen berichtete sie, dass sich viele darum sorgen, ohne weitere Förderung in reine Pflegeeinrichtungen abgeschoben zu werden. Eckhard Retelsdorf, Gesamtelternratsvorsitzender vom St. Lukas-Heim befürchtet bezeichnete das Vorhaben als Kostendämpfungsgesetz. "Die Betroffenen oder Angehörigen werden sich in Zukunft mit deutlich mehr Bürokratie auseinandersetzen", so Retelsdorf. Auch der Geschäftsführer der Einrichtungen Heinz-Bernhard Mäsker befürchtet mit dem Gesetz deutliche Verschlechterungen, da die Interpretation der Inhalte viel Spielraum bei der Gewährung von Leistungen zulasse. Besonders am Herzen liegt im die Förderung von Menschen mit Behinderungen. Denn die trage erheblich zur vielzitierten Inklusion bei. In einem Interview am Rande des Diskussionsabends warb er aber auch dafür, mehr Praktikumsplätze für Menschen mit Behinderungen bereitzustellen um so auch durch Arbeit mehr Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen.