Sie wirken ähnlich wie Cannabis oder Kokain, werden jedoch zum Teil, zum Beispiel getarnt als Badesalze, offen gehandelt und stammen aus dem Chemie-Labor: Legal Highs sind auch in Norddeutschland auf dem Vormarsch. 100 Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis trafen sich am Dienstag zum 7. Norddeutschen Suchttag in der Fachklinik Hase-Ems in Haselünne, um der Frage nachzugehen, was diese Neuen psychoaktiven Substanzen (NpS) für die Konsumenten so attraktiv und so gefährlich macht, wie erfolgversprechend die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind und welche Möglichkeiten sich bei Prävention, Beratung und Rehabilitation ergeben.
39 Todesfälle wurden allein 2015 im Zusammenhang mit dem Konsum Neuer psychoaktiver Substanzen (NpS) registriert. Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel von der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in München erklärte in seinem Vortrag, dass es sich bei den Legal Highs zwar nicht um ein Massenphänomen handle, dass in den vergangenen Jahren aber schon eine Steigerung in der Zahl der zu beobachten gewesen sei: "In den Suchteinrichtungen sind die Neuen psychoaktiven Substanzen schon lange keine Randerscheinnung mehr. Es handelt sich hierbei nicht nur um einen kurzfristigen Trend, sondern die neuen Drogen sind gekommen, um zu bleiben".
Das kann auch Conrad Tönsing, Geschäftsführer der CRT - Caritas Reha und Teilhabe GmbH, bestätigen: "Immer wieder tauchen in unseren Einrichtungen Menschen auf, deren Abhängigkeitserkrankung nicht bloß auf einen Suchtstoff beschränkt ist und die immer häufiger auch Erfahrungen mit Legal Highs gemacht haben. Deshalb ist es gut, dass wir in der Fachklinik Hase-Ems ohnehin auf eine suchtstoffübergreifende Behandlung mehrfach Abhängiger spezialisiert sind."
Mehr als 500 Substanzen im Umlauf
Dr. Lars Kröner, Leiter der klinischen und forensischen Toxikologie am Labor Dr. Wispinghoff in Köln erklärte in seinem Vortrag, dass die besondere Gefahr bei NSP neben der leichten Verfügbarkeit darin besteht, dass für den Konsumenten oft nur schwer nachvollziehbar sei, welche Inhaltsstoffe in dem jeweiligen Präparat enthalten sind. Insgesamt geht man aktuell von mehr als 500 verschiedenen Substanzen aus, die in stetig wechselnder Zusammensetzung auf dem Markt verfügbar sind. Auch für die Drogentests, die sein Institut anbietet, stellen die NpS eine besondere Herausforderung dar: "Bis ein entsprechendes Nachweisverfahren für eine bestimmte Substanz entwickelt wird, kann bis zu ein Jahr vergehen", so der Toxikologe, "bis dahin sind dann schon wieder andere Stoffe im Umlauf."
Am Nachmittag konnten die Teilnehmenden die Erkenntnisse aus den Fachvorträgen in Workshops weiter vertiefen. Darüber gab es die Möglichkeit, sich über neue Behandlungsansätze der beteiligten Fachkliniken und Fachambulanzen zu informieren.
Was Legal Highs konkret für die Therapie bedeuten, thematisierten die Klinikmanagerin der Fachklinik Hase-Ems Claudia Westermann gemeinsam mit dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. Markus Weiß im ersten Workshop des Nachmittags.
Die Chefärztin der Fachklinik Hase-Ems Dr. Stefanie Houchangia gab gemeinsam mit Bezugstherapeut Willi Ennulat in ihrem Workshop Einblicke in den Ansatz der suchtstoffübergreifenden Rehabilitation, wie er in Haselünne praktiziert wird.
Sabine Kampelmann-Gerkens von der Fachkliniken St. Marien - St. Vitus GmbH war gemeinsam mit dem Therapiehund Jano gekommen, um den Teilnehmenden den Einsatz des Tieres in der Suchthilfe zu demonstrieren.
Sandra Kolmer-Wiedemann von der Fachambulanz in Osnabrück erklärte den Teilnehmenden ihres Workshops, wie das Selbstkontrolltraining SKOLL dazu beitragen kann, einen verantwortungsbewussteren Umgang bei riskantem Konsumverhalten zu finden.
Die Veranstalter:
Veranstalter des 7. Norddeutschen Suchttages sind die CRT - Caritas Reha und Teilhabe GmbH und die Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH.
- CRT - Caritas Reha und Teilhabe GmbH
Die CRT ist der größte Suchthilfeverbund im westlichen Niedersachsen in Trägerschaft der freien Wohlfahrtspflege. Zu ihr gehören die Fachklinik Nettetal (Wallenhorst), die Fachklinik Hase-Ems (Haselünne), das Theresienhaus (Glandorf) und das Betreute Wohnen für Gefährdete in der Region Osnabrück. - Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH
Die Fachkliniken St. Marien-St. Vitus GmbH hat zwei genderspezifische Behandlungsstätten: Für Frauen die Fachklinik St. Vitus in Visbek, für Männer das St. Marienstift in Neuenkirchen.
Die Referenten:
- Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel
Geschäftsführung Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, IFT Institut für Therapieforschung - Dr. Lars Kröner
Leitung Klinische und Forensische Toxikologie, Labor Dr. Wisplinghoff Köln - Claudia Westermann
Klinikmanagement Fachklinik Hase - Ems, Haselünne - Dr. med Thomas Heinz
Geschäftsführer/Ärztlicher Direktor Fachkliniken St. Marien - St. Vitus GmbH - Conrad Tönsing
Geschäftsführung CRT - Caritas Reha und Teilhabe GmbH - Willi Ennulat,
Bezugstherapeut in der Fachklinik Hase-Ems - Dr. med. Stefanie Houchangnia,
Chefärztin der Fachklinik Hase-Ems, Haselünne - Sabine Kampelmann-Gerkens (mit Therapiehund Jano),
Fachtherapeutin für kognitives Training, Ergotherapeutin der Fachkliniken St.Marien-St.Vitus GmbH - Prof. Dr. Andreas Koch,
Geschäftsführung Bundesverband für stationäre Suchtkrankenhilfe e.V. (buss) - Sandra Kolmer-Wiedemann,
Fachambulanz für Suchtprävention und Rehabilitation Osnabrück - Dr. med. Markus Weiß
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie